Königin der Piraten
hinzugeben.
»Ich schätze, du hast gewonnen«, murmelte sie an der salzigen Haut seiner Schulter.
Sie spürte, wie seine Lippen an ihrem Hals sich zu einem Lächeln verzogen und seine Wimpern sie kitzelten. »Ja. Aber beim nächsten Mal ist es vielleicht anders. Ich hoffe sogar, dass ich dann verliere. Es wäre eine süße Niederlage.«
Lange hielt er sie in den Armen und verlagerte sein Gewicht auf die Arme, um sie nicht zu erdrücken. Dann stützte er sich auf einen Ellbogen und spielte versonnen mit einer kastanienbraunen Locke. »Maeve.«
»Gray?«
»Sollen wir uns heute Abend davonstehlen und heiraten?«
Maeve strich über das Grübchen an seinem Kinn, über die geschwungenen schwarzen Brauen, über seine Wange. Seufzend sah sie ihm in die Augen, die sie hinter den Wimpern entschlossen, aber mit einem Zwinkern anblitzten. Schelmisch schüttelte sie den Kopf. »Das geht nicht, und das weißt du a u ch.«
»Wann also?«
»Ich weiß nicht. Das sage ich dir morgen. Heute Abend - heute Abend hätte ich, glaube ich, lieber noch eine Geduldsprobe.«
»Verdammt, Maeve!«
Während Maeve entzückt aufquiekte, fiel Gray erneut über sie her - und diesmal ging tatsächlich er als Verlierer aus dem Wettkampf hervor.
32. Kapitel
Er war die Geißel Londons.
Schon viele Piraten hatten diesseits von Jamaika ihr Entermesser geschwungen, doch keiner hatte je so gut ausgesehen. Er trug ein bauschiges Hemd, hautenge Hosen, eine Augenklappe über einem Auge und ein Tuch um den Hals. Sir Graham Falconer, Ritter des Bath-Ordens, Konteradmiral der Weißen Flagge, Retter des wertvollsten Konvois dieses Jahres hatte gerade eine lange, steife Unterredung mit seinen bärbeißigen Vorgesetzten von der Londoner Admiralität hinter sich. Nun starrte er zum offenen Fenster von Maeves Hotelzimmer im zweiten Stock hinauf.
In der einen Hand hielt er einen Enterhaken, in der anderen das Seil dazu, und zwischen seinen Zähnen blitzte ein Dolch. Gott sei ihm gnädig, wenn ihn irgendjemand in diesem unheimlichen Aufzug sah. Aber Himmel, wenn dieses kleine Schauspiel Maeve nicht davon überzeugte, wie weit er gehen würde, um sie zu erobern, dann war ihr wohl nicht zu helfen.
Er hatte es satt zu warten.
Und er stellte allmählich fest, dass er doch nicht so ein geduldiger Mensch war, jedenfalls nicht, wenn es um Maeve ging.
Ihre Besatzung war bei der Kestrel in Portsmouth geblieben, aber um den Schein zu wahren, hatte Maeve sich zusammen mit Orla ein Zimmer genommen, während er im Raum nebenan wohnte. Nicht, dass Gray vorhatte, sich an diese Aufteilung zu halten. Weiß Gott nicht. Er beabsichtigte keineswegs, allein zu schlafen.
Und ebenso wenig wollte er es länger hinnehmen, dass Maeve sich weiter darum drückte, ein Datum für ihre Hochzeit festzusetzen. Verdammt, heute Abend würde sie ihm eines nennen - oder er würde sie auf die Triton schleppen und sie seinem eigenen Flaggkapitän zur Frau geben; darauf konnte sie sich verlassen!
Ha, mein Täubchen, dachte er in einem Anfall verwegener Vorfreude. Allmählich fand er Gefallen an seiner Maskerade. »Dich kriege ich noch!«
Er sah zu dem erleuchteten Viereck unmittelbar über sich hinauf. Ein Schatten bewegte sich hinter dem Fenster. Gut. Sie war also noch wach.
Und nun auf zu dem Heiratsantrag, der alles bisher Dagewesene in den Schatten stellen sollte ... im Piratenstil.
Als er hinter sich ein Geräusch hörte, fuhr er herum, doch es war nur eine Katze, die ihn verängstigt anstarrte.
Er nahm den Dolch in die Hand, fletschte die Zähne und zog die Grimasse, mit der er auch Colins Kätzchen immer erschreckte.
Fauchend sprang das Tier davon. Gray lachte. Dann kniff er konzentriert die Augen zusammen, schob sich das Messer wieder zwischen die Zähne, packte das Seil fester und begann, im weiten Bogen den Enterhaken durch die Luft zu schwingen. Er zielte auf die Fensterbank im zweiten Stock.
Noch eine Umdrehung, dann ließ er den Haken los.
Klonk! Als die eiserne K laue scheppernd einen Halt fand, erstarrte Gray. Würde er jetzt entdeckt werden?
Nichts.
Er atmete erleichtert auf, grinste und rieb sich voller Vorfreude die Hände. Jetzt würde er sich seine Beute holen. »Grrrr«, knurrte er begeistert und rollte das R hinter den Zähnen, wie Blackbeard es sicherlich getan hatte. »Jetzt entkommst du mir nicht mehr, Kleine!« Er zog probeweise an dem Seil. Das hätte ihm noch gefehlt, wenn es nicht halten und er hinunter auf die Straße stürzen würde! Aber nein, der
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