Königin der Piraten
Haken saß ganz fest an seinem Platz.
Ein letztes Mal schaute Gray sich misstrauisch um; dann begann er zu klettern. Mit dem Dolch zwischen den Zähnen und dem Entermesser an seiner Seite zog und schob er sich mit den starken Armen und bloßen Füßen an dem dicken Seil hinauf. Das lange Haar fiel ihm dabei über den Rücken.
Dich kriege ich, Weib, knurrte er und hatte einen Heidenspaß an seiner Rolle als Pirat auf Beutezug.
Immer höher kletterte er. Er hatte keine Höhenangst; schließlich war er der gefürchtetste Freibeuter, der sich je auf der Karibischen See herumgetrieben hatte, und der gefährlichste Pirat, der je durch Londons Straßen spaziert war. Knapp unterhalb der Fensterbank hielt er keuchend inne, um die Augenklappe zurechtzurücken und den Dolch in die Scheide zu stecken. Er grinste verwegen und überlegte, wie er seinen Überraschungsangriff am besten beginnen sollte. Dann zog er sich mit einem Ruck hinauf und durch das Fenster. Er zückte sein Entermesser, und mit einem wilden Schrei, der einem das Blut in den Adern gefrieren ließ, sprang er in das Zimmer.
»Haaaaaa!«
» Aaaaahhh!«
Eine ältere Dame in Nachthemd und Pantoffeln.
»Oh, verdammt!«, schrie Gray und rannte zur Tür.
»Diebe! Einbrecher! Zu Hilfe!«
Mit dem Entermesser in der Hand stürzte Gray die Treppe hinunter, während die Schreie der Frau durch den Korridor hinter ihm gellten. Wie konnte es passieren, dass er das falsche Zimmer erwischt hatte? Er stolperte und wäre beinahe gefallen; dabei schnitt er sich an seinem Schwert. Er hastete weiter und lief davon, als sich neben ihm eine Tür öffnete und er weitere Rufe und Schreie hinter sich hörte.
Als er um eine Ecke stürmte, sah er zwei Flaggoffiziere mit Dreispitzen auf dem Kopf und Epauletten auf den Schultern den Speisesaal des Hotels betreten ...
Er wich nach rechts aus und rannte einen mit Teppichen ausgelegten Korridor hinunter.
»Da ist er! Dieb! Haltet den Dieb!«
Als er polternde Schritte hinter sich hörte, wusste er, dass die beiden Admirale ihn gesehen hatten und ihm dicht auf den Fersen waren.
Verflucht noch mal, wo war nur Maeves Zimmer?
So schnell er auf bloßen Füßen konnte, bog er mit flatterndem Hemd und wehenden Haaren um eine weitere Ecke. Da, Gott sei Dank! Ihre Tür ...
»Maeve, mach auf!«
»Gray, Liebling? Bist du das?«
»Um Himmels willen, Maeve, mach die verdammte Tür auf, sofort!«
»Aber Gray, so spricht man doch nicht mit einer Königin ...«
Gray hämmerte aus Leibeskräften an die Tür und schlug beinahe ein Loch in das edle Holz. »Herrgott noch mal, Maeve, mach die verdammte Tür auf!«
Er hörte seine Verfolger näher kommen. Die alte Frau in dem Nachthemd, Hotelpersonal, Zimmermädchen, Angestellte, ein Edelmann in elegantem Seidenanzug - o Gott, nicht der Marquis von Anderleigh!
»Nein, wirklich, Sir Graham, seid Ihr das?«
Dann die beiden Flaggoffiziere - nicht irgendwelche Flaggoffiziere, sondern Lord Hood und Lord Barham, beide Admirale und Letzterer der ranghöchste Angehörige der ganzen gottverdammten Marine. Vor nicht einmal einer Stunde hatte Gray sein Büro verlassen, und jetzt stürmte der Admiral mit eiserner Entschlossenheit um die Ecke.
Ein letztes Mal hämmerte Gray mit der Faust an die Tür. »Maeve, um Himmels willen, mach auf!« »Sir Graham!« Lord Barhams Stimme donnerte durch den Korridor. »Was, in Gottes Namen, tut Ihr da?«
Stille. Resigniert ließ Gray sich mit dem Rücken gegen die Tür fallen - ein Pirat mit Augenklappe, Entermesser in der Hand und bis zum Nabel offenem Hemd. Die Meute der Verfolger starrte ihn entsetzt an, mit offenem Mund und hämischem Grinsen.
Plötzlich ging die Tür auf, und Gray fiel längelang auf den Boden zu Maeves Füßen.
»Maeve! Sag, dass du mich heiraten willst!«
33.Kapitel
W enige Stunden, n achdem Maeve Merrick einge willigt hatte, Konteradmiral Sir Graham Falconer zu heiraten, fuhr eine Postkutsche mit einem gewissen Kapitän Henry Blackwood vor Nelsons Wohnsitz in Merton vor. Er überbrachte ihm die Neuigkeit, dass Villeneuve sich mit über dreißig Linienschiffen im spanischen Hafen Cädiz verschanzte. Und so begann die letzte Stufe der Ereignisse, die alle auf die entscheidende Schlacht hinausliefen, die Admiral Nelson in diesen letzten Wochen seines leidvollen Lebens bereits erwartet hatte.
Im Ärmelkanal und in den französischen und spanischen Häfen an der Atlantikküste lagen mächtige Flotten für die Entscheidungsschlacht bereit,
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