Königin der Piraten
Maeve in ihrem Zorn in die Quere zu kommen.
»Märchenprinz, von wegen«, fauchte sie. »So viel zu eurem dämlichen Zauber, meine Damen! Ich habe euch doch gesagt, in der Vision habe ich vorhergesehen, was für einen Mann ich bekommen würde, und sie hat Recht behalten!«
»Der Möwendreck hat den Zauber verdorben, Majestät«, murmelte eine Mädchenstimme.
»Schweig!«
Die Pistole wurde an Grays Hinterkopf gerammt. »Soll ich ihn töten, Majestät?«
»Nein, Enolia. Diese Ehre wird mir zuteil werden«, stieß Maeve hervor. Ihr heißer Atem fuhr in Grays Nacken wie die warme Luft zwischen zwei Schiffen, die Breitseite an Breitseite liegen. Er spürte, wie ihr Blick ein Loch zwischen seine Schultern brannte. Die Wärme ihres geschmeidigen Körpers drang durch sein nasses Hemd, das ihm am Leib klebte. »Lucia! Jan! Sagt mir, wo ihr diesen ... diesen Lump gefunden habt!«
»Turlough hat ihn gebracht, Majestät.«
»Turlough. Mit dem verdammten Delfin werde ich ein ernstes Wörtchen reden müssen! Diesmal ist er mit seinem Rettungsfimmel zu weit gegangen.«
Mit einem Delfin reden? Diese Frau war nicht nur blutrünstig, sondern auch noch verrückt. Doch Grays verächtliches Schnauben endete in einem plötzlichen Schmerzensschrei, als ihm die Pistole so heftig an den Schädel gerammt wurde, dass er Sterne sah.
»Niemand macht sich über Ihre Königliche Hoheit lustig!«
»Lass ihn«, befahl Maeve mit hochmütiger Geringschätzung. »Das lernt er noch früh genug. Die Waffen nieder, meine Damen. Ich habe nicht vor, diesen Halunken von hinten anzusprechen! Er soll sich umdrehen, mir wie ein Mann gegenübertreten und mir beweisen, dass er auch wie ein Mann sterben kann!«
Es war deutlich zu spüren, dass die Piratinnen nur widerwillig die Pistolen herunternahmen, und der Lauf in Grays Rücken wurde ihm vorher noch einmal ordentlich zwischen die Wirbel gestoßen. Er biss die Zähne zusammen und unterdrückte einen Fluch.
Knapp neben seinem Gesicht fuhr das Entermesser in den Türrahmen. »Ich habe gesagt, dreht Euch um, verdammt !«
Langsam wandte er sich zu seiner Peinigerin um. Sie umklammerte das Entermesser und schaute von unten zu ihm herauf, die bloßen Füße gespreizt wie ein Krieger, den Mund zusammengekniffen, lodernd vor Zorn. In ihren Augen - Tigeraugen, dachte Gray - brannte ein Feuer, und er sah, dass ihr Blick unwillkürlich über seinen breiten Brustkorb wanderte und der schmalen Linie schwarzer Haare folgte, die unter seinem Hosenbund verschwand. Er sagte kein Wort; lediglich ein leises Lächeln umspielte seine Lippen, ein Zeichen, dass er ihr offensichtliches Interesse sehr wohl bemerkt hatte.
»Verdammt, kniet nieder!«, fuhr sie ihn an, holte aus und ließ die Hand auf seine Schulter niedersausen.
Das machte freilich keinen Eindruck auf einen Mann, der dieser fauchenden Raubkatze gut achtzig Pfund Muskeln und Sehnen entgegenzusetzen hatte. Ihre Majestät haute der Schlag allerdings fast um. Sie stolperte, ließ das Entermesser fallen und taumelte rückwärts gegen die Wand. Ihre Augen blickten verstört und wurden glasig, das Blut wich ihr aus dem Gesicht; auch die Lippen wurden weiß und öffneten sich. Auf der Stelle eilten ihr zwei ihrer üblen Gefährtinnen zu Hilfe - ein dunkelhaariger Kobold keltischen Typs und eine weizenblonde Piratin, die in Segeltuchhosen und einem bunten Hemd mit Paisleymuster steckte.
»Majestät!«
»Die Vision ...«, murmelte sie und starrte Gray voller Entsetzen, ja Furcht an.
Sie waren wahnsinnig, alle miteinander - verrückt wie ein Kompass, dessen Nadel nach Süden zeigt! Kopfschüttelnd überlegte Gray, ob er abhauen sollte, aber irgendetwas hielt ihn davon ab. Nicht die Bedrohung durch Pistolen, Entermesser oder Dolche. Nicht der herrische Befehl einer Frau, die er im Handumdrehen hätte entwaffnen können, und auch nicht die Horde wilder Weibsbilder, die ihre Anführerin schützend umringten.
Sondern die Frau selbst.
Unter dem Schutz ihrer Besatzung starrte sie ihn immer noch an. Ihr Busen hob und senkte sich, am Hals war ihr heftiger Pulsschlag zu erkennen, und ihre Lippen - wundervolle Lippen, die jeden Mann um den Verstand bringen konnten - waren leicht geöffnet und zitterten.
»Ihr ...«, flüsterte sie bebend.
Dann sprang sie ohne Vorwarnung wieder vor. Zwar wirkte sie immer noch unsicher, aber sie hatte sich doch wieder in der Gewalt. »Wer seid Ihr?«, herrschte sie ihn an, schnappte sich wieder ihr Entermesser und stürmte auf Gray
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