Königin der Schwerter
»Diese Aideen ist noch lange nicht so weit. Sie ist formbar, ein unbeschriebenes Blatt, das mir gute Dienste lei s ten könnte.«
»Die Wachhabende hat Aideen aber gesehen«, wa g te Mel einzuwenden. »Sie hat die beiden begle i tet. Unter dem Vorwand, das junge Mädchen hätte Heimweh, wollten sie sich davonmachen.«
»Verdammt.« Zarife seufzte und machte dann e i ne entschuldigende Geste in Richtung der grün leuchte n den Umrisse. »Nun denn, wie es aussieht, wird es he u te nichts mit den neuen Körpern. Wir sind hier zu wenige, als dass ich eine der Hüterinnen schon jetzt entbehren könnte. Richte deinem Meister aus, dass ich mein Wort halten werde. Sobald ich das Tor öffne, steht es euch frei, euch der Krieger zu bedienen. Und keine Sorge, davon gibt es dann mehr als genug. Jeder von euch wird einen Körper erha l ten, das verspreche ich.«
»Wir werden es ausrichten.«
»Gut.« Zarife nickte. »Aber vergesst nicht: Zu e i nem Abkommen gehören immer zwei Parteien. Wenn ihr wieder leben wollt, müsst auch ihr eure Pflichten erfüllen und mir zum Sieg verhelfen. Ich habe nichts zu verschenken.«
Nachdem die geisterhaften Gestalten in ihre Welt z u rückgekehrt waren, herrschte angespanntes Schweigen im Felsenrund. Schließlich sagte Zarife: »Bei Sonne n aufgang werden die Jägerinnen sich auf die Suche nach den Flüchtigen machen. Die Frauen stammen aus dem Waldland, nicht wahr? Dann we r den sie versuchen, dorthin zu fliehen. Aber sie dü r fen es nicht erreichen.«
»Werden die Dashken sich ihrer nicht anne h men?«, fragte Mel.
»Ich furchte nicht.« Zarife schüttelte den Kopf. »Als Überbringer des Dolches steht ihnen ein freies Geleit für den Rückweg zu.«
»Verzeiht, aber dann haben wir ein Problem.«
»Und welches?«
»Die drei haben ein Pferd. Dasselbe Pferd, auf dem Ihr bei Eurer Ankunft geritten seid. Die Jäg e rinnen aber müssen sie zu Fuß verfolgen. Ich fürc h te, der Vorsprung wird dann nicht mehr aufzuholen sein.«
»Das ist wahr.« Zarife wirkte nachdenklich. Dann lächelte sie hintergründig und sagte: »Nun, dann we r de ich wohl morgen als Erstes meinen treuen Dashken einen Besuch abstatten. Es wird Zeit, ein i ge Regeln zu ändern und neue aufzustellen.«
***
Als die Dämmerung über dem Hochland anbrach, machten sich Hákon und Manon erneut auf den Weg. Der Himmel war in der Nacht aufgeklart, was die Temperaturen weiter hatte sinken lassen.
Manon fror. Trotz der beiden Decken und des Feuers hatte sie vor lauter Zähneklappern keinen Schlaf gefunden. Zehen und Finger spürte sie kaum noch. Zwar konnte sie äußerlich noch keine Erfrieru n gen feststellen, sorgte sich aber, dass sie irgen d wann schwarz werden und abfaulen würden, so wie sie es in Dokumentationen über gescheiterte Pola r expeditionen im Fernsehen einmal gesehen hatte. Und wenn nicht heute, dann kommende Nacht, so viel war klar.
Sie hatte es satt. Nicht nur die Kälte, auch das u n wirtliche Land, das karge Essen und vor allem die u n glaublich primitiven Bedingungen, unter denen Hákon in seiner vermutlich selbstgewählten Einsa m keit zu leben schien. Sie sehnte sich nach einer fla u schigen Daunendecke, einem heißen Bad und einer aromatischen Tasse Tee, vor allem aber nach ihrer Wohnung und der behaglichen Wärme einer Zentra l heizung.
»Hier, das wird dich wärmen.« Hákon schien ihre Gedanken gelesen zu haben. In einem verbeulten Topf hatte er das abgestandene Wasser aus dem Wasse r schlauch über dem Feuer erhitzt und ein paar getroc k nete Blätter hineingeworfen. Nun reichte er Manon den einzigen Becher, den er zu besitzen schien.
»Was ist das?« Misstrauisch schaute sie auf die dampfende Flüssigkeit.
»Tee.«
»Aha.« Manon wollte nicht unhöflich sein und nippte vorsichtig an dem Getränk. Es schmeckte bitter und ein wenig nach Minze, aber es war heiß und tat seine Wirkung. Kaum dass sie getrunken hatte, spürte sie eine angenehme Wärme in der M a gengegend, die sich wohltuend im ganzen Körper ausbreitete. »Da n ke.« Sie reichte Hákon den Becher und sah, wie er ihn noch einmal füllte, um selbst zu trinken.
»Hält leider nicht lange vor«, sagte er bedauernd, holte Brot und eine Mohrrübe aus der Provianttasche und reichte es ihr.
»Ich habe keinen Hunger.« Das war gelogen, aber Manons Magen rebellierte schon bei dem Gedanken daran, noch einmal das Pferdefutter essen zu mü s sen.
»Es tut mir leid, aber etwas anderes habe ich nicht.« Hákon wirkte ehrlich
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