Königin der Schwerter
Vergangenheit an. Nutzloser Ballast, Anhänger einer Epoche, die sich unausweichlich dem Ende zuneigte. Nichts und ni e mand würde diesen Untergang aufha l ten können.
Diese Schlacht war verloren, noch ehe sie bego n nen hatte. Aber das war nicht das Ende. Ein dünnes L ä cheln umspielte Zarifes Mundwinkel. Jene, die vor den Toren auf ihren Triumph warteten, ahnten nicht, was sie mit diesem Sieg heraufbeschworen. Erst die Z u kunft würde zeigen, wie das Schicksal in dieser Nacht entschied.
Vor den Toren wurden Stimmen laut. Die Angre i fer waren jetzt ganz nah. Sie forderten Zarife auf, h e rauszukommen und sich zu ergeben. Nur dann, so tönte es über die Mauern hinweg, würde man das L e ben jener verschonen, die ihr gedient hatten.
Die Rufe verhallten unbeantwortet, das Tor des Tempels blieb verschlossen. Der Wind frischte auf und peitschte das heilige Feuer in die Höhe. Gierige Flammenzungen reckten sich nach den Priesteri n nen, die ringsherum Aufstellung genommen hatten und in stummem wie verzweifeltem Gebet selbst versuchten, die Dashken anzurufen.
Zarife wusste, dass ihre Mühe vergebens war. Sie war die Herrin der Elemente. Sie allein hatte die Macht, den Dashken zu befehlen, und sie hatte en t schieden. Hier waren die Letzten des einst so mächt i gen Reiches von Benize versammelt. Dreihundert Se e len, verloren, verzweifelt und gemeinsam dem Unte r gang geweiht.
Als der erste Stoß des Rammbocks das Tor erschütte r te, hielten die Priesterinnen entsetzt inne. G e schützt von den Wachen und einem Wald aus Speeren, w i chen sie an die rückwärtige Mauer des Tempels z u rück.
Schon erzitterte das Tor unter einem neuerlichen Schlag. Die Scharniere ächzten. Feiner Staub löste sich von den Wänden. Der dritte Stoß schließlich ließ das Holz bersten und trieb die eisenbewehrte Spitze des Rammbocks tief ins Herz des Tores.
»Speere bereit!« Oren hob den Arm.
Zarife hörte die Novizin neben sich aufkeuchen, sah die Schweißperlen auf den Gesichtern der Kri e ger und fühlte, wie auch ihr Herz sich vor Anspa n nung verkrampfte.
Unter lautem Bersten gab das Tor dem Ansturm der Angreifer nach, und die ersten Krieger stürmten in den Innenhof. Vor den Mauern brandete Jubel auf.
»Speere vor!« Oren wirkte wie befreit. Das Schwert mit beiden Händen umklammernd, die A n greifer fest im Blick, stellte er sich vor den Ring der Verteidiger, als könne er es nicht erwarten, sich in den Kampf zu stürzen. Die stählerne Klinge blitzte im Fackelschein und fand sogleich ihr erstes Opfer in der Masse der Heranstürmenden. Blut tränkte den Boden, Schreie gellten durch die Nacht, als er das Schwert wie ein Berserker gegen den Pulk der Fei n de führte.
Doch Oren allein konnte die Masse der Angreifer nicht aufhalten. Schon wurde überall gekämpft. Die Wachen des Weißen Tempels nahmen sich ein Be i spiel an Oren und kämpften wie besessen. Für eine Weile hielten sie dem Ansturm stand, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis die Kräfte sie verlassen würden.
Bald sah Zarife die Ersten sterben. Ein Junge in der Gewandung der Lakaien stürzte mit einem Pfeil in der Brust zu Boden. Gleich zwei Tempelwachen erlagen den Schwerthieben der Angreifer. An immer mehr Stellen brachen die Krieger aus Torpak durch und setzten ihr blutiges Werk an den wehrlosen Priesteri n nen fort. Die Todesschreie der Frauen gel l ten durch die Nacht, und die Welt versank im Chaos.
»Herrin, rettet uns!« Eine Novizin kam angesto l pert, umklammerte den Arm der Hohepriesterin mit beiden Händen und sank neben ihr auf die Knie. Ihr Haar war aufgelöst, das Gesicht von Furcht gezeic h net. »Herrin, bitte«, keuchte sie. »Ich flehe Euch an, ruft die Dashken, sonst sind wir verloren.«
»Närrin.« Zarife streifte die Hände der Novizin ab. »Die Dashken werden nicht kommen.«
Die Novizin starrte sie an. »Dann … dann habt Ihr sie nicht …?«, fragte sie fassungslos.
»Die Dashken sind zu wertvoll, um sie für das hier zu opfern«, erwiderte Zarife abfällig. »Sie we r den nicht kommen. Sie wissen ja nicht einmal, was hier g e schieht.«
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»… ich freue mich, dass Sie heute Abend so zah l reich erschienen sind, um den Nachlass der Gräfin de Lyss in Augenschein zu nehmen, und hoffe, dass Sie …« Der Mann oben auf dem Podium sprach so schnell, als fürchte er, die Gäste, die in dem großen Saal Platz genommen hatten, durch eine lange Rede zu vertre i ben.
Sandra Thorsen saß etwas abseits und schmunze l te. Einen
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