Königin der Schwerter
Waldrand etwas bewegte. »Es ist zu weit weg.« Seufzend schüttelte er den Kopf. Dann wandte er sich um, löste eine lederne Tasche vom Sa t tel und holte einen sorgfältig in ein Tuch eingeschl a genen Gegenstand hervor. Der In-die-Ferne-Seher war eine der wenigen Kostbarke i ten, die die Sucher aus der fremden Welt mit nach Torpak gebracht hatten. Im ganzen Land gab es nur zwei davon. Eigentlich war es den Suchern streng verboten, Dinge über die Welte n grenzen hinweg nach Torpak zu schaffen. In diesem Fall aber hatte Karadek eine Ausnahme gemacht, weil das Gerät ihm im Feldzug gegen die Tamjiken einen entsche i denden Vorteil eingebracht hatte.
Die Zwillingsrohre mit den glänzenden Augen konnten Dinge, die weit entfernt waren, ganz nah e r scheinen lassen, wenn man hindurchsah. Es war ein Zauber, der selbst den Auguren und Magiern von To r pak Rätsel aufgab. Zoltan hatte das seltsame Ding schon im Krieg gegen die Tamjiken verwe n det, doch es war ihm noch immer unheimlich. Z ö gernd setzte er es an die Augen und ließ den Blick über das jenseitige Ufer der Dronthe schweifen. Die Büsche und Bäume erschienen jetzt so nah, als stünde er nur wenige Schri t te davon entfernt. Und o b wohl die Sonne schon fast untergegangen war, konnte er noch immer jede Einze l heit erkennen. Rehe, die zum Trinken an den Fluss gekommen waren, ein Boot, das verlassen im Schilf lag, die Holzpflöcke, die die Furt markierten und …
»Bei den Toren des Halvadal!« Zoltan stockte der Atem.
»Was ist?« Menard richtete sich im Sattel auf und versuchte etwas zu erkennen. Zoltan antwortete nicht. Langsam ließ er den In-die-Ferne-Seher si n ken und reichte ihn seinem Freund, der ihn verwundert entg e gennahm und hindurchschaute.
»Bei den Göttern.« Keuchend ließ Menard die Zwillingsrohre sinken. »Sind das …« Ihm versagte die Stimme.
Zoltan nickte. »Diese Bastarde!« Er ballte die Hand zur Faust und schlug damit so heftig auf den Sattel, dass sein Pferd erschrocken tänzelte. Auf der anderen Seite der Furt waren drei Holzkreuze erric h tet worden, an denen schlaff wie Puppen reglose Gestalten hingen. Es waren drei der fünf Männer, die Zoltan als Spitzel zu den Rebellen geschickt ha t te. Sie waren tot.
»Es … es könnten auch Räuber gewesen sein«, sagte Menard.
»Nein.« Zoltan blickte grimmig entschlossen zur Furt hinüber. »Nein, das waren keine Räuber. Das waren sie. Es ist eine Warnung. Sie wissen, dass wir kommen, und wollen uns zeigen, dass sie unsere Pläne durchschaut haben.«
»Werden sie uns an der Furt erwarten?«, fragte M e nard.
»Dann hätten sie die toten Spitzel dort nicht so aufgestellt.« Zoltan schüttelte den Kopf. Er war s i cher, dass die Späher nicht einfach nur getötet worden w a ren. Vermutlich hatte man sie zuvor gefoltert, um h e rauszufinden, wie ihr Auftrag lautete. Zoltan fluchte leise. Er hatte die Männer selbst ausgewählt. Allesamt erfahrene und zuverlässige Krieger, die sich auch zuvor schon im Kampf behauptet hatten. Er wusste jedoch aus Erfahrung, dass die Folter n a hezu jedem die Zunge lösen konnte, wenn die Qu a len nur groß genug waren. »Nein, ich denke nicht, dass sie einen Angriff bei der Furt planen«, sagte er langsam. »Sie wissen, dass sie uns im Wald überl e gen sind, und verlassen sie sich auf die Taktik, die sie seit Jahren erfolgreich anwenden.«
Menard suchte den Waldrand nach den anderen beiden Spähern ab. »Es sind nur drei. Vielleicht ha t ten die anderen mehr Glück.«
»Vielleicht liegen sie auch irgendwo tot im Wald«, knurrte Zoltan. »Aber selbst wenn sie noch leben, wird uns das nicht mehr viel nutzen.« Er schüttelte niede r geschlagen den Kopf. »Jetzt, da die Rebellen wissen, dass wir Spitzel eingeschleust haben, können wir ke i nem Bericht mehr Glauben schenken. Die Gefahr, dass man uns absichtlich fa l sche Angaben zukommen lässt, ist einfach zu groß.«
»Was schlägst du vor?«, fragte Menard.
»Wir reiten zurück.« Zoltan ließ sein Pferd we n den. »Hier können wir nichts mehr ausrichten. Mo r gen werden wir mit der Vorhut zeitig aufbrechen, um die drei da fortzuschaffen. Unseren Plan, sie zu bespitzeln, konnten die Rebellen durchkreuzen. Ich werde jedoch nicht zulassen, dass sie unseren Kri e gern mit so etwas die Kampfmoral rauben.«
***
Tisea hatte lange geweint. Als der Tag heraufgez o gen war, war sie in einen unruhigen Schlaf gefallen, aus dem sie erst am Nachmittag wieder erwacht war. Hákon hätte die
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