Königin der Schwerter
Zeit gern genutzt, ihre Wunden zu säubern und zu verbinden, aber jedes Mal, wenn er sie berührt hatte, war sie zusammengezuckt und ha t te im Schlaf aufgeschrien, sodass er es nicht gewagt hatte. Bei allem, was er tat, hatte Peme ihn stumm beobac h tet. Die Stimmung war bedrückend gew e sen. Selten hatte Hákon sich so hilflos gefühlt.
Als er am nächsten Morgen erwachte, erlebte er j e doch eine Überraschung. Tisea kauerte ganz in seiner Nähe und schaute ihn an. Ihr Blick war klar, aber so leer, dass er unwillkürlich fröstelte. Sie lebte, doch es schien, als hätte sie sich selbst verloren.
»Du … du bist verwundet«, sprach er sie leise an. »Ich muss die Wunden säubern und verbinden.« Die Worte muteten selbst in seinen Ohren lächerlich an. Schrammen, Schnitte und Prellungen würden irgen d wann der Vergangenheit angehören. Die wirklich ti e fen Wunden hatte ihre Seele davongetragen, und diese würden niemals heilen. Hastig verdrängte er den G e danken. Auch an Wundbrand konnte man sterben. So mancher Krieger war schon Opfer eines vermeintlich harmlosen Schnittes geworden.
»Ich weiß.« Tisea nickte. Sie klagte nicht und gab sich stark, aber Hákon spürte, wie sie zusammenzuc k te, als er ihr wenig später die Verbände anlegte und heilende Salbe auftrug.
Danach blieb sie schweigsam. Sie war g e schwächt, nahm aber wieder am Leben teil und ve r suchte so zu tun, als sei nichts geschehen. Peme wich nicht von ihrer Seite.
Die Nacht kam und der Schlaf ließ die Dämme brechen.
Als Hákon in der Nacht erwachte, hörte er Tisea we i nen. Gern hätte er sie in den Arm genommen und g e tröstet, ahnte jedoch, dass sie seine gut gemeinte Annäh e rung nicht würde ertragen können. So lag er ei n fach nur wach und lauschte, bis die Erschöpfung über die Ve r zweiflung siegte und Tisea ins Land des Verge s sens trug.
Am nächsten Tag ließ Hákon nichts unversucht, Tisea und Peme zur Umkehr zu bewegen. Aber w e der die Nachricht vom Kummer ihres Vaters noch die Gefahr, erneut Opfer der Gardisten zu werden, kon n ten Tisea davon abbringen, die Reise fortzuse t zen. Stur beharrte sie darauf, nach Norden zu reiten, auch wenn sie Hákon eine Erklärung dafür schuldig blieb.
Die Sorge um die beiden Frauen war nicht Hákons einziger Kummer. Erst jetzt, da er die Zeit fand, über sein eigenes Handeln nachzudenken, wurde ihm b e wusst, in welche Lage er sich mit se i nem überstürzten Aufbruch gebracht hatte. Indem er nach Norden und nicht nach Torpak geritten war, hatte er Zoltans B e fehl zuwider gehandelt und damit gegen die obersten Gesetze Karadeks verstoßen, die Ungehorsam und Befehlsverweigerung mit Verrat gleichsetzten. Es w a ren Vergehen, für die es nur eine Strafe gab: den Tod.
Seltsamerweise verspürte Hákon bei dem Geda n ken, dass er nie wieder nach Torpak würde zurückke h ren können, weder Furcht noch Kummer. Als Zwei t geborener hatte er schon im Alter von zwölf Jahren in den Dienst der Garde treten müssen, so wie es das Gesetz verlangte. Sein Leben war von Geburt an vo r gezeichnet gewesen, und obwohl er mit vielem nicht einverstanden gewesen war, hatte er sich gefügt – bis zu dem Abend der Totenwache. Gors Geständnis und die Erkenntnis, eine Zwillingsschwester zu haben, ha t ten alles geändert. Mit dem Entschluss, nach Viliana zu suchen, hatte er sein Leben zum ersten Mal selbst in die Hand geno m men.
Er bereute es nicht, denn er war aus tiefstem He r zen davon überzeugt, das Richtige zu tun, und fühlte sich wie von einer Last befreit, die ihn schon lange niederdrückte. Er war jetzt ein Abtrünniger, aber er war frei.
Hákon seufzte. Er wusste nicht, was die Zukunft ihm bringen würde. Alles, was er wusste, war, dass die Suche nach seiner Schwester von nun an sein Leben bestimmen und er nicht ruhen würde, ehe er Antwo r ten auf die Fragen gefunden hatte, die in ihm bran n ten. Dass Tisea nicht umkehren wollte, stim m te ihn traurig, aber er respektierte ihre Entscheidung, denn er spürte, dass auch sie von etwas getrieben wurde, das stärker war als die Sorge um die eigene Sicherheit.
Als die Sonne aufging, brachen sie auf. Tisea und P e me ritten wieder auf Silfri, der tatsächlich fortg e laufen war, sich aber ein paar Stunden nach dem Überfall wieder zu ihnen gesellt hatte. Hákon ritt auf seinem Braunen.
Trotz der Pferde kamen sie nur langsam voran. T i sea litt. Sie klagte nicht, aber ihr Gesicht war ang e spannt. Hin und wieder hörte Hákon sie aufke
Weitere Kostenlose Bücher