Königin des Lichts: Drei Romane in einem Band (German Edition)
Owen seinem Pferd die Sporen gab und davonstob.
Es blieb trüb, aber trocken. Aurora, die die finsteren Wolken am Himmel beobachtete, betete, der sich zusammenbrauende Sturm möge andauern, während ihre Männer auf die Stadt zumarschierten. Unter dem Vorwand, die Auslagen der Geschäfte zu studieren, nutzte sie die Zeit, um sich die Befestigungsanlagen und den Wachwechsel einzuprägen.
Das Angebot war üppig, aber die Menschen hungerten.
»Es gehen Gerüchte um«, teilte Rohan ihr mit, als sie sich neben ihn stellte, als wollte sie das Verladen der Waren in die Kutsche überwachen. »Angeblich wurden Vorzeichen gesehen. Letzte Nacht flog der Drache über den Himmel, und die Sterne färbten sich blutrot.«
»Und was halten die Leute davon?«
»Einige fürchten, das Ende der Welt sei nahe, andere hoffen auf einen neuen Anfang.«
»Beide haben Recht.«
»Aber von der Hoffnung spricht man nur im Flüsterton. In der Nacht sind noch mehr Leute aus ihren Häusern geholt und wegen Hochverrats angeklagt worden. Es gehen Gerüchte um, Lorcan wolle den Maskenball für irgendwelche
finsteren Absichten nutzen. Angeblich plant er irgendeine Zauberei.«
»Solch eine Macht besitzt er gar nicht.«
»Man sagt, er habe sie sich erkauft, sich mit den dunklen Mächten eingelassen.« Rohan sah nach links und rechts, um sicherzugehen, dass niemand mithörte. »Er soll Menschen geopfert haben, um sich durch ihr Blut Kraft zu verschaffen.«
»Abergläubisches Gerede, aber wir wollen nichts außer Acht lassen.« Sie stieg in die Kutsche.
Auf dem Rückweg zur Burg überschlugen sich ihre Gedanken.
Es gibt eine Zeit für den Kampf, doch manchmal ist Zauberkraft die wirkungsvollere Waffe. Zu später Stunde beschwor Aurora ihre Macht herauf. Sie rief den Falken und zehn, zwanzig, hundert seiner Gefährten, immer mehr, bis der Himmel von ihnen erfüllt war. Mit erhobenen Armen stand sie am Fenster und rief den Wind.
Die Falken, die, schrille Rufe ausstoßend, am Himmel kreisten, setzten zum Sturzflug an. Wachen und Höflinge stürzten in Hof und Gärten, erkletterten die Mauern, flüchteten sich in die Stadt. Rufe des Schreckens und der Verwunderung wurden laut.
Durch Fenster und Türen flogen die Raubvögel in die Burg, dass sich die Diener eilends unter Stühlen und Tischen versteckten. Das Schlagen ihrer Schwingen und ihre Rufe erfüllten die Luft, als sie geschlossen in die Schatzkammer einfielen, ihre Krallen mit Münzen füllten und im Freien verschwanden, um das Geld wie einen goldenen Regen über der Stadt niedergehen zu lassen.
Mit Ausrufen der Verwunderung und des Entzückens stürzten Männer, Frauen und Kinder aus ihren Häusern und Hütten auf die Straße, um die Fülle einzusammeln. Als der Ruf zu den Waffen erscholl, waren viele der Soldaten ebenso wie die Stadtbewohner damit beschäftigt, sich Taschen und Beutel voll zu stopfen. Bevor die Ordnung wiederhergestellt werden konnte, war der Ruf der Falken schon lange verklungen, das Schlagen ihrer Schwingen nur noch Erinnerung.
Die Straßen der Stadt glitzerten vor Münzen.
Eine Anzahlung, dachte Aurora, die von ihrem Fenster aus das Chaos beobachtete, aber der Rest würde bald folgen.
Am folgenden Tag war von kaum etwas anderem die Rede. Manche sprachen von Feenwerk, andere von Hexerei. Der König kochte angeblich vor Wut. Die Soldaten schlugen Bekanntmachungen an, auf denen der Besitz von Münzen mit dem Verlust einer Hand bedroht wurde.
Dennoch blieb nicht eine einzige Münze auf den Straßen zurück, und zum ersten Mal hörte Aurora mehr Lachen als Wehklagen, wenn sie auf die Geräusche der Stadt lauschte.
In der allgemeinen Verwirrung war es ihr gelungen, Lorcan und Owen während des Tages aus dem Weg zu gehen und den jungen Rhys mit Nahrung für die Gefangenen ins Verlies zu schicken, während sich die Wachen über den Vorfall unterhielten.
Aber nun war die Zeit der Gaben an die Bedürftigen vorüber, und die Schlacht rückte immer näher.
Als sie zu ihren Gemächern eilte, um die letzten Vorbereitungen
für die Begegnung mit Gwayne zu treffen, übersah sie den lauernden Owen. Im Nu hatte er sie mit dem Rücken an die Wand gepresst. Seine Hand schloss sich um ihre Kehle. Instinktiv wollte sie nach ihrem Dolch greifen, doch sie beherrschte sich. Stattdessen ballte sie die Hand zur Faust und bemühte sich, verängstigt zu wirken.
»Ihr erschreckt mich, Herr!«
»Was für ein Spiel treibt Ihr?«
Sie erschauerte und lächelte mühsam. »Nicht
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