Königin für eine Nacht?
„In dem Fall ist es schade, dass sie nicht deine gesamte Garderobe ausgewählt hat.“
Seine unbedachten Worte weckten die unterschwellige Eifersucht, die stets aufflammte, wenn sie mit ihrer schönen Schwester verglichen wurde. Wäre Lissa vor sechs Wochen am Abend des Balles im Palast gewesen, hätte Nikos sie ganz sicher nicht wahrgenommen und als sexy Kellnerin Rina am Strand verführt …
Schlagartig fühlte sich Kitty wieder so unscheinbar und unsicher wie vor dem Ball und wäre am liebsten auf der Stelle zurück nach Aristo geflohen.
Nikos hatte inzwischen sein Jackett ausgezogen, lässig über einen Sessel geworfen und knöpfte jetzt sein Hemd auf. Kitty, die ihn ebenso fasziniert wie entsetzt dabei beobachtete, fühlte ihren Mund trocken werden.
„Ich möchte heute Nacht allein schlafen“, verlangte sie unverblümt und fühlte ihr Herz schmerzhaft gegen den Rippenbogen schlagen. „Es war ein langer Tag, und ich bin schrecklich erschöpft.“
Bei ihren ersten Worten war Nikos mitten in der Bewegung erstarrt, jetzt zuckte er achtlos die breiten Schultern. „Warum hast du dich dann nicht auf dem Flug hierher ausgeschlafen?“, fragte er zynisch. „Du nimmst doch nicht ernsthaft an, mich mit deiner kleinen Vorstellung auch nur eine Sekunde getäuscht zu haben, oder?“
Kitty biss sich auf die Unterlippe und schob dann trotzig das Kinn vor. „Du hast recht, ich habe wirklich nicht geschlafen. Ich wollte einfach nur nicht mit dir reden!“, stieß sie wild hervor. „Und die Vorstellung, mit dir ins Bett gehen zu müssen, verursacht mir Übelkeit!“
Nikos’ Gesicht verfinsterte sich, und auf seiner Wange zuckte ein Muskel. „Den Eindruck hatte ich aber nicht, so wie du meinen Kuss in der Kapelle erwidert hast. Was hat deinen plötzlichen Sinneswandel bewirkt?“, fragte er gefährlich leise.
Kitty errötete bei der Erinnerung an den heißen Kuss, mit dem sie ihr falsches Ehegelöbnis besiegelt hatten. Als sie vorsichtig zu Nikos hinüberschaute, zeigte ihr seine unerbittliche Miene, dass er auf einer Antwort bestehen würde.
„Als ich nach oben gegangen bin, um mich für die Reise umzuziehen, ist mir auf dem Rückweg jemand über den Weg gelaufen … ein Freund der Familie“, erläuterte sie umständlich. „Er hat mir etwas über dich erzählt, von dem ich bisher keine Ahnung hatte … dass du in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen und bereits mit dem Gesetz in Konflikt gekommen bist. Außerdem …“, sie machte eine Pause und nahm all ihren Mut zusammen, „… erzählte er auch von dem Gerücht, dass du deinen geschäftlichen Erfolg einer reichen Erbin namens Larissa Petridis verdankst, die ihrem jugendlichen Liebhaber die Reederei ihres verstorbenen Vaters hinterlassen hat.“
„Wer dieser ominöse Familienfreund wohl sein mag?“, überlegte Nikos laut. „Wenn du ihn schon zitierst, dann hab wenigstens so viel Anstand, mir den Namen des Mannes zu nennen, der mich hinter meinem Rücken diffamiert.“
„Er … es ist ein Freund von Sebastian, Vasilis Sarondakos.“
Nikos lachte hart auf. „ Der ist auf keinen Fall ein Freund deines Bruders. Aber wie ich weiß, waren König Aegeus und sein Vater einst Freunde.“
„Ist es wahr, was er erzählt?“, konnte sich Kitty nicht beherrschen zu fragen.
„Die Hintergründe meiner Herkunft sind kein Geheimnis“, erläuterte Nikos gelassen. „Ich bin tatsächlich in den Slums von Athen groß geworden, unter Verhältnissen, die sich jemand, der behütet und im Luxus aufgewachsen ist, nicht vorstellen kann. Meine Mutter, die keine privilegierte Erziehung genossen hat, musste Tag und Nacht schuften, um mich überhaupt durchzubringen. Mein Vater ließ sie im Stich, nachdem er sie geschwängert hatte …“ Jetzt war sein Gesicht hart wie Granit.
Kitty starrte ihren Mann aus weit aufgerissenen Augen an und wagte kaum zu atmen.
„Eines will ich klarstellen: Ich schäme mich weder meiner Herkunft noch dessen, was ich getan habe, um unser unerträgliches Los zu erleichtern. Aber es ist richtig, dass ich mich als Teenager Straßengangs angeschlossen habe und straffällig geworden bin. Und hätte es Larissa Petridis nicht gegeben, mit ihrem guten Herzen und ihrer Großzügigkeit, wäre ich irgendwann unter Garantie im Gefängnis gelandet.“
„Dann hast du dich also wirklich mit einer älteren Frau eingelassen, in der Hoffnung, sie irgendwann beerben zu können?“
„Mein Verhältnis zu Larissa steht hier nicht zur Debatte“, erwiderte
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