Königin für neun Tage
Kohlen, die Wangen überzog ein dunkles Rot. Wie sie so furchtlos vor dem Mann stand, erinnerte sie an eine Walküre, und ein warmes Gefühl durchzog Normans Herz.
Der Schotte lächelte zum ersten Mal. »Nun, Sir Powderham, ich denke, Ihr habt Euch da eine schöne Gefährtin ausgesucht. Ihr müsst aufpassen, dass sie Euch das Zepter nicht aus der Hand nimmt. Aber ich mag Frauen, die wissen, was sie wollen. Schüchterne Weiber, die bei jeder Gelegenheit in Ohnmacht fallen, sind mir ein Gräuel.«
Plötzlich sprach der Mann in einem klaren und deutlichen Englisch, nur noch ein kleiner Akzent schwang in seiner Stimme mit. Er wandte sich an einen seiner Gefährten und raunte ihm etwas zu. Daraufhin verließ dieser die Kate, um wenig später mit zwei Bündeln zurückzukehren. Aus dem einen wurden Felle geholt, die auf dem Boden ausgebreitet wurden, dann gab der Mann Norman und Antonia je einen Umhang.
»Euch ist bestimmt kalt, und Ihr müsst hungrig sein. Teilt das Mahl mit uns und berichtet mir dabei mehr von Eurer Familie.«
Widerwillig legte sich Antonia den Umhang um die Schultern. Er roch unangenehm nach gegerbter Tierhaut, aber er wärmte gut. Dann tat sie es Norman und dem seltsamen Schotten gleich und ließ sich auf den Fellen nieder. Als er seinen Umhang ablegte, erkannte Antonia, dass das Wams des Schotten mit Goldborten und filigraner Stickerei besetzt war, was auf einen gewissen Wohlstand schließen ließ.
Ein Lederschlauch mit Bier wurde herumgereicht, und auch Antonia stillte ihren Durst. Aus dem zweiten Bündel packte der Schotte Brot, getrocknetes Fleisch und Käse aus und forderte sie auf, sich zu bedienen. An Normans langsamen Bewegungen erkannte Antonia, dass auch er vorsichtig und voller Skepsis war. Was hatten die Schotten vor? Sie würden sie wohl kaum bewirten, um sie dann später umzubringen. Bei ihnen gab es nichts zu holen.
Norman sprach ihre Gedanken aus, indem er sagte: »Wir danken Euch für Eure Gastfreundschaft. Ich muss Euch jedoch sagen, dass wir dafür nicht werden bezahlen können, denn wir besitzen keinen Penny. Nur das, was wir auf dem Leib tragen, und, Ihr seht es selbst, das ist mehr als armselig.«
Der Schotte winkte ab. »Ihr wollt also zum Laird von Inverleithen. Erzählt mir von Eurer Familie und Verwandtschaft«, forderte er Norman erneut auf.
Interessiert verfolgte Antonia Normans Schilderungen über seine Familie. Sie erfuhr jetzt mehr über ihn und seine Geschwister, als sie jemals zuvor gewusst hatte. Als er geendet hatte, sagte der Fremde: »Eure Verwandtschaft ist mehr als weitläufig. Was macht Euch so sicher, dass der Laird Euch empfangen wird?«
»Ihr habt erwähnt, er sei der Meinung, keine lebenden Verwandten zu haben, heißt das, mein Onkel ist Euch bekannt?«, wich Norman der Frage aus.
Der Schotte zuckte mit den Schultern. »Sagen wir, er ist mir schon mal begegnet. Wann, guter Herr, frage ich Euch, kennt man einen Menschen wirklich?« Auf diese Frage erwartete er zum Glück keine Antwort und fuhr fort: »Seine zwei Frauen starben, ohne ihm ein Kind zu hinterlassen. Er hat kein drittes Mal geheiratet.«
Ein Gefährte brachte ihm einen Becher und schenkte aus einem anderen Beutel eine dunkelbraune Flüssigkeit ein. Der Schotte nippte daran und reichte den Becher an Norman weiter, der, um nicht unhöflich zu wirken, davon trinken musste. Ebenso wie Antonia, die vorsichtig an der Flüssigkeit nippte, die ihr scharf in die Nase stieg. Kaum rann der kleine Schluck ihr die Kehle hinab, meinte sie, ersticken zu müssen. Das brannte ja wie Feuer! Sie hustete und keuchte, Tränen stiegen in ihre Augen. Sollten sie jetzt vergiftet werden?
»Was … was ist das?«, presste sie hervor, als sie wieder atmen konnte.
Der Schotte schlug sich lachend auf die Schenkel. »In unserer Sprache nennen wir es
Uisge beatha
, und es wird seit Jahrhunderten gebraut. Ihr könnt es aber auch
aqua vitae
nennen.«
»Wasser des Lebens«, stieß Antonia hervor und kämpfte immer noch mit dem Brand in ihrer Kehle.
Der Schotte zog anerkennend eine Braue in die Höhe. »Eure Frau spricht Latein? Dann scheint Eure Geschichte zu stimmen, denn nur Personen von gewissem Stand sind dieser Sprache mächtig. Ihr habt Recht, Mylady, es handelt sich um
Lebenswasser
, ohne das kein echter Schotte existieren kann, aber für verweichlichte Engländer ist es nicht geeignet, wie ich sehe.« Er stand auf, klopfte sich die Krümel von der Hose und fuhr fort: »Und jetzt kommt, ich bringe Euch nach Inverleithen. Ihr
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