Königin für neun Tage
allerdings auswich und nur wachsbleich im Stuhl kauerte. Nach einem Augenblick der Stille, in dem nur das Knistern des Holzes im Kamin zu hören war, sagte Norman tonlos: »Wir werden uns deinem Willen fügen, Onkel.«
Der Laird und Antonia setzten sich wieder, ein befriedigtes Lächeln umspielte Laurel Mercats Lippen.
»Ich sehe, wir verstehen uns, wenngleich ich es bedauere, Antonia nicht für mich selbst zu bekommen. Ich muss allerdings darauf bestehen, dass ihr die kommende Nacht in verschiedenen Zimmern verbringt. Du, Antonia, bleibst in dem Raum, der dir zugewiesen wurde. Norman, du kannst die Kammer neben meinen Räumen nehmen. Ab morgen dürft ihr dann das Bett miteinander teilen.«
Antonia wusste nicht, ob sie über die Aussicht, die kommende Nacht nicht mit Norman in einem Zimmer verbringen zu müssen, glücklich oder entsetzt sein sollte, denn es war nur eine Gnadenfrist. Morgen würde sie ihn heiraten! In wenigen Stunden würde sie mit einem Mann verbunden sei, der sie nicht liebte, sie sogar verachtete. Antonias Stolz bäumte sich auf, sie wollte Norman nicht heiraten. Sie wollte nicht, dass er sie nur aus Mitleid zu seiner Frau nahm und sich wie ein Märtyrer opferte.
So ganz uneigennützig heiratet er nicht, mahnte eine leise Stimme in ihrem Kopf. Schließlich erwartet ihn ein reiches Erbe, denn er kann niemals nach England zurückkehren.
Verstört kroch Antonia ins Bett, konnte jedoch keinen Schlaf finden. Die Aussicht, die Hochzeit abzulehnen und stattdessen Laurel Mercats Willkür ausgeliefert zu sein, erschien die schlechtere Alternative. Folglich würde sie Norman heiraten – es sei denn, in den nächsten Stunden würde noch ein Wunder geschehen.
Antonia wartete vergeblich auf dieses Wunder. Am nächsten Morgen brachte ihr der Diener ein elfenbeinfarbenes, spitzenbesetztes Kleid mit einem züchtigen Ausschnitt. Auch dieses Gewand war zu weit und zu kurz, aber die Farbe schmeichelte Antonias Teint und ließ ihre Augen noch dunkler und strahlender erscheinen. Sie fand ein weißes Band, das sie sich in Ermangelung einer Haube ins Haar flocht. So stand sie wenig später neben Norman in der kleinen Kapelle von Inverleithen. Wie im Traum rauschten die lateinischen Worte des alten, ergrauten Priesters an ihren Ohren vorbei. Der scharfe Geruch von Weihrauch stieg ihr in die Nase, und sie hatte alle Mühe, einen Niesreiz zu unterdrücken. Keinen Blick wandte sie zu Norman, der stocksteif neben ihr stand. Einzig die Aufmerksamkeit des Lairds, der mit stechenden Augen die Zeremonie verfolgte, entging Antonia nicht. Dann legte der Priester ihre Hände ineinander, und Norman beugte sich pflichtschuldig zu ihr herunter und küsste sie. Obwohl sich ihre Lippen kaum berührten, durchfuhr Antonia ein solch warmes Gefühl, als habe sie glühendes Eisen berührt. Als sie dann an Normans Arm aus der Kapelle schritt, wurde ihr zum ersten Mal bewusst, dass sie nun Lady Antonia Powderham war, Normans Frau! Es war eine richtige Trauung gewesen, gültig nicht nur nach den Gesetzen Schottlands, sondern auch nach denen Englands. Sie waren jetzt wirklich und wahrhaftig miteinander verheiratet.
Norman gingen ähnliche Gedanken durch den Kopf. War er wirklich verheiratet? Er, der sich geschworen hatte, niemals vor einen Traualtar zu treten, noch dazu mit Antonia, die er einst als widerspenstigen Knappen kennen gelernt hatte! Sie war widerborstig, aufmüpfig und wollte stets das letzte Wort haben. Außerdem ritt und kämpfte sie wie ein Mann. Ein Leben an Antonias Seite bedeutete ein stetiges Auf und Ab, er konnte sich nie sicher sein, was sie als Nächstes tun würde. Ihm kam der Gedanke, dass es ihm in Antonias Nähe niemals langweilig werden würde, und als er daran dachte, dass er genau aus dem Grund nie geheiratet hatte, weil alle Frauen, die bisher sein Bett geteilt hatten, für ihn recht schnell langweilig geworden waren, knirschte er so laut mit den Zähnen, dass Antonia fest seinen Arm drückte.
»Glaub ja nicht, dass ich mit der Situation glücklich bin«, zischte sie ihm zu. »Sobald der Winter vorbei ist, werde ich von hier fortgehen und die Ehe annullieren lassen.«
Meint sie das ernst?, überlegte Norman. Es traf seinen Stolz, dass Antonia eine so offensichtliche Abneigung gegen ihn hegte. Aber er verzichtete darauf, sie darauf hinzuweisen, dass man eine Ehe, die nicht vollzogen wurde, jederzeit aufheben lassen konnte. Und er würde diese Ehe nicht vollziehen!
Da war er sich sicher. Ganz sicher.
Aber warum
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