Königliche Republik (German Edition)
Alexandre
schon an ihr vorbei. Sie mochte gerne glauben, dass es Absicht
gewesen war. Ihr Blick ging wieder nach vorne, wo gerade de Guise die
Stufen zum Altarraum hochstieg. Wieder nahm sie aus den Augenwinkeln
eine schnelle Bewegung wahr. Jemand huschte durch die Seitentür
in die Sakristei. Angst stieg in ihr hoch.
Es
war Albert, der dem Dogen folgte und sich neben ihn stellte, nachdem
de Guise Platz genommen hatte. Alexandre dagegen blieb an den Stufen
stehen. Er sah übernächtigt aus; selbst auf die Entfernung
wirkte er angespannt.
„Er
macht sich auch Sorgen“, flüsterte Rita.
„Wer
macht sich Sorgen?“ Enzos Stimme war so laut, dass sich die
Marchesa umdrehte.
Sie
tätschelte seinen Arm. „Niemand. Stefania geht es gut;
Dario weiß das.“
Der
verschwörerische Blick, den sie dabei Rita zuwarf, ließ
Enzo die Stirn runzeln. „Frauen.“
„Wo
ist er überhaupt?“ Auch der Marchese drehte sich nun um.
„Er kann sich doch frei bewegen. Oder nicht?“
Leider.
Mirella hustete unterdrückt. „Entschuldigt.“ Sie
schlug die Hand vor den Mund und hustete noch einmal, angestrengt sog
sie die Luft ein.
„Kind,
du wirst doch nicht von deiner Lungenentzündung einen
dauerhaften Schaden davontragen?“ Enzo langte an ihre Stirn.
„Du schwitzt.“ Sein Blick ging zu Rita. „Du hast
sie viel zu warm angezogen.“
Mirella
wich zurück. „Lass Er gut sein, Vater.“ Mit
zusammengepressten Lippen hustete sie durch die Nase. Mehrere Leute
wandten sich zu ihr um. „Es ist mir so peinlich.“
Alexandres
wandernder Blick blieb an ihr hängen und er runzelte die Stirn;
dann gingen seine Augen weiter. Wachsam, angespannt. Rita hatte
recht; er war besorgt.
Mirella
schnürte es die Luft ab; sie konnte unmöglich die ganze
Messe lang hier ausharren. Sie räusperte sich und hüstelte
erneut. „Ich fürchte, ich werde die Zeremonie stören.
Überdies ist es draußen jetzt wärmer als hier
drinnen.“
Rita
sah sie zweifelnd an, die Augen misstrauisch zusammengekniffen. Enzo
wollte ihr Platz machen, aber sie wollte nicht durch den Mittelgang
gehen, wo sie jeder sah. Mirella drückte sich an Rita vorbei;
vorbei an dem Platz, der für Dario frei gehalten worden war;
vorbei an Fabrizio und Gina. Gina versuchte sie aufzuhalten, aber sie
schüttelte sie ab und mahnte sie leise, still zu sein.
Die
Säule, hinter der sie gleich darauf stand, versperrte Mirella
den Blick auf Alexandre. Und umgekehrt. Falls er auf sie geachtet
hatte, konnte er sie nun nicht sehen.
Sie
drückte sich an der Wand entlang zur Sakristei. Nach einem Blick
in die Runde, der ihr zeigte, dass die Aufmerksamkeit aller auf den
Beginn der Messe gerichtet war, huschte sie durch die Seitentür.
Die Sakristei war verlassen.
Mirella
nahm eine der Kerzen, die auf einer Kommode lagen, und steckte ein
Stück Zunder ein. Den Altarraum im Blick ging sie rückwärts
bis zur Treppe, die zur Krypta hinunter führte.
„Niemand
sprengt eine voll besetzte Kirche in die Luft.“ Aber einer, der
erfahren war mit dem Pulver, mochte wohl darauf vertrauen, dass seine
Ladung nur dem Altarraum den Boden wegriss. Schließlich, diese
Kirche war stabil gebaut, hatte selbst Erdbeben und den Kanonen der
Spanier getrotzt.
So
leise wie möglich stieg sie hinunter. Nachdem sie von der
Sakristei aus nicht mehr gesehen werden konnte, hielt sie zudem auf
jeder Stufe inne und lauschte nach Geräuschen.
Ein
Pfeifen, ganz leise, und sie schrak zusammen. Aber ein Attentäter
würde nicht pfeifen; nur eine Maus. Mit heftig klopfendem Herzen
ging sie weiter und erreichte die Krypta. Ein Schauer lief ihr über
den Rücken angesichts der Sarkophage, die ihr in der Dunkelheit
den Weg zu versperren schienen.
Sie
zog Kerze und Zunder aus ihrer Manteltasche und tastete nach der
Wand, um daran Funken zu schlagen. Wie sie es von Cesare gelernt
hatte. Ihr war nach Weinen zumute, als der Zunder schließlich
aufflammte. Nach ein paar Schritten fand sie eine halb abgebrannte
Fackel in einer Halterung; sie nahm sie an sich.
Die
Kerze flackerte; von irgendwoher kam ein Luftzug. Mirella hielt sie
höher, um die Stufen zu finden, die zur Ebene unter der Krypta
führen sollten.
Es
war totenstill hier unten; oder nicht? Von oben drang die Orgel zu
ihr und dann der Gesang. Umso besser, niemand würde hören,
wenn sie jetzt hinunter stieg.
Über
ihr erklangen gedämpft zwei Männerstimmen. Nun konnte sie
nicht mehr zurück in die Sakristei, selbst wenn sie gewollt
hätte.
Furcht
jagte ihr
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