Königliche Republik (German Edition)
könne ihr die Schwangerschaft ansehen? Vielleicht
hatte sie sich mit Dario getroffen. Es würde erklären,
warum er am Morgen das Haus verlassen hatte und sie ohne ihn zur
Messe fahren mussten.
Mirella
verschränkte ihre Finger und begann zu zählen –
tatsächlich! Es wurde höchste Zeit, dass die beiden
heirateten.
Während
die Marchesa Rita umarmte, war deren Mund an ihrem Ohr, nicht auf
ihrer Wange; sie flüsterte. Die Marchesa schüttelte den
Kopf.
Dann
wandte sie sich an Enzo. „Ein prächtiger Tag!“ Sie
sprach ein wenig lauter als es sich an diesem Ort geziemte. „Stefania
weint sich die Augen aus wegen ihrer unpassenden Erkältung.“
Rita
nickte. „Das kenne ich. Die jungen Damen wollen prunken und
vergessen, dass es zu früh ist für die dünnen
Sommerkleider. Die Sonne betrügt uns.“
Nicht
nur die Sonne.... Mirella kämpfte mit den Tränen.
Ein
Milizionär Anneses forderte sie barsch zum Platz-machen auf.
„Was
fällt Ihm ein, junger Mann?“ Die Marchesa schien ihn mit
ihrem Sonnenschirm erstechen zu wollen. Der Mann machte ein so
verdutztes Gesicht, dass Mirella hell auflachte. Was ihn noch mehr
irritierte. Er zog sich zurück, ohne noch einmal darauf zu
bestehen, dass die Marchesa den Gang frei gab.
Auf
der Piazza öffnete sich die Menge vor einer Abteilung von de
Guises Garde, Albert an der Spitze. Hinter ihm ritten Soldaten mit
den Bannern der de Guise und der Stadt.
Mirella
überlief eine Gänsehaut bei ihrem Anblick und wieder
stiegen ihr die Tränen in die Augen. Nicht einmal sechs Monate
waren seit der Krönung des Herzogs vergangen. Es schien ein
anderes Zeitalter gewesen zu sein. Damals hatte ein Leben an der
Seite eines spanischen Granden auf sie gewartet ... und heute? An
jenem Tag hatte sie Alexandre zum ersten Mal gesehen; nun war es wohl
das letzte Mal. De Guise konnte die Stadt unmöglich halten. Es
war nur eine Frage von Tagen, dass er aufgeben musste.
Trompeten
kündigten die Ankunft des Dogen an. Die Soldaten mit den
Standarten stiegen ab, übergaben die Zügel ihren Kameraden
und flankierten das Portal. Wie damals im November.
Gewiss
würde Alexandre zusammen mit dem Dogen kommen; nun, da sie
einander wieder vertrauten. Ihr Blick ging zu dem Thron, der unweit
des Altars neben der Tür zur Sakristei stand. Alexandre würde
wieder dort stehen. Wenn Cesare recht hätte ... Sie schloss die
Augen und sah die Staubwand vor sich, die sich vor Vareses Haus nach
dem Einschlag erhoben hatte. Ein Anschlag, der hier auf den Dogen
verübt würde, würde Alexandre unweigerlich mit sich
reißen.
Vor
dem Portal wurden Befehle auf Französisch erteilt und dann
betrat de Guise die Kirche, ihm zur Seite Alexandre. Die Gespräche
der Kirchenbesucher sanken zu einem Flüstern herab.
De
Guise legte sein Schwert ab; Alexandre behielt das seine. Wie im
November musterte er wachsam die Menge. Hinter den beiden folgten die
Soldaten, die fünfeinhalb Monate zuvor mit de Guise an der
amalfitanischen Küste gelandet waren. Diejenigen, die noch
lebten. Zwei von ihnen trugen sichtbare Zeichen von Verwundungen. Der
eine den linken Arm in einer Schlinge; den rechten gleichwohl fest um
den Griff seines Rapiers. Der andere hinkte deutlich und eine
flammendrote Narbe zog sich quer über seine Stirn.
„So
viel dazu, dass der Doge seine eigenen Männer nicht ins Feuer
schicke“, raunte ein älterer Mann seiner Frau ins Ohr. Ein
Lächeln stahl sich in Mirellas Gesicht bei diesen Worten. Noch
gab es Neapolitaner, die zu ihrem Dogen standen.
Das
Flüstern erstarb ganz und die Schritte der Männer im
Mittelgang klangen überlaut durch das Kirchenschiff. Man musste
sie bis in die Tiefen unter der Kirche hören. Mirella schrak
zusammen: Wenn jemand in der Krypta auf der Lauer läge.... Ihr
stockte der Atem. Sie hatte ihnen nicht gesagt, dass Cesare glaubte,
man könne von den Kavernen aus in die Krypta gelangen. Sie hatte
es schlicht vergessen.
„Ich
bin kindisch“, flüsterte Mirella.
„Was?“
Rita rückte näher zu ihr.
Mirella
neigte sich zu ihrem Ohr. „Verzeiht, Mamma. Ich habe laut
gedacht.“
Rita
zog sie an sich. „Du machst dir Sorgen. – Ich auch.“
Erstaunt
blickte Mirella zu ihr. Dabei fiel ihr eine Bewegung neben der
Marienstatue im Seitenschiff auf. Ein Schatten, der kurz im Licht der
Kerzen auftauchte und wieder verschwand wie jemand, der sich schnell
bewegte. Mirella reckte den Kopf, aber da war nichts zu sehen.
Ein
Ärmel streifte sie. Aber als sie sich umdrehte, war
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