Königliche Republik (German Edition)
Ihr nicht wegnehmen. Und die Schokolade will ich Ihr
auch nicht wegtrinken.“
„Aber
Sie sieht dort gleich, wenn der Giacomo nach Hause kommt. – Der
Wirt.“ Sie schürte das Feuer im Küchenherd. „Es
ist noch Glut vom Mittagessen da. Ich koche immer noch so wie früher,
als mein lieber Mann lebte.“
Mirella
setzte sich auf den Platz am Fenster. Von hier entging der Frau
tatsächlich nichts. Man blickte bis zur Einmündung in die
Gasse; niemand konnte unbemerkt kommen oder gehen. „Wäre
es nicht viel bequemer“, sie deutete nach draußen,
„gegenüber zu essen?“
„Mag
sein. Aber die Leute dort ...“
„Warum?“
Mirella lehnte sich zurück; sie wollte nicht zu neugierig
erscheinen. „Was ist mit denen?“
„Fremde.
Alles Männer von außerhalb. Ich traue ihnen nichts Gutes
zu.“ Sie setzte einen Topf mit Milch auf den Herd und holte
eine kleine Holzkiste und eine Schale mit Zucker aus dem Schrank
neben dem Hoffenster. „Freilich wird es bald schwer werden,
Schokolade zu kaufen. Also genießen wir, so lange wir es
können.“ Sie schob einen Stuhl neben Mirella. „Ich
bin alt; es bleibt mir keine Zeit, etwas für später
aufzuheben. Mein Adriano starb von einem Tag auf den anderen. Ein
Unfall am Hafen. Er war immer sehr sparsam. Und was hat er davon
gehabt?“
„Nichts?“
Mirella nickte verständnisvoll. „Sie hat ganz recht. Darum
würde ich mir an Ihrer Stelle auch keine Gedanken machen, wer
sonst noch in dieses Gasthaus geht.“
„Es
ist aber zum Nachdenken. Vielleicht sollte ich sogar die Reggia informieren.“
„Wegen
ein paar Briganten?“ Mirella lachte. „War nicht vor
kurzem ein Schmuggler sogar Herr der Stadt?“
„Aber
diese sind anders. Masaniello war einer der Unseren. Und neuerdings
tauchen immer öfter feine Herren auf. Die ein Wappen an ihren
Kutschen führen.“
„Was
für Wappen?“
Cristina
hob die Schultern. „Ich weiß es nicht. Einer hat eine
Krone darüber. Ein Graf oder ein Herzog.“ Sie sprang auf,
erstaunlich behände für ihr Alter. „Die Milch.“
Sie
zog den Topf an den Rand des Herds und löffelte Kakao aus dem
Holzkistchen; dann schob sie den Topf wieder mitten auf den Herd und
rührte. Der Duft von Schokolade breitete sich in der Stube aus.
„Was
sucht so einer hier?“ Cristina löffelte Unmengen Zucker in
den Topf. Sie stellte zwei Tassen auf den Tisch und dazu die
Zuckerschale. „Falls es Ihr nicht süß genug ist.“
„Bestimmt
könnte der Wirt Ihr die Frage beantworten.“
„Gewiss.
Aber der schweigt wie ein Grab. Und seine Frau hält sich für
was Besseres; eine ganz Hochnäsige.“ Was wohl hieß,
dass die Wirtin keine Zeit für Klatsch hatte.
Mirella
ließ sich eine Tasse reichen und nippte vorsichtig an der
dampfenden Schokolade. Widerlich süß; sie hatte es
befürchtet. Sie schluckte schwer; dann trank sie tapfer die
halbe Tasse aus, bevor sie sie absetzte.
Cristina
hatte sie aufmerksam beobachtet und hielt ihr nun den Zucker hin.
„Ich tue immer zu wenig Zucker hinein. Schon mein Adriano hat
sich darüber beklagt, dass die Schokolade zu bitter wäre.“
Mirella
lächelte. „Mir ist es genug Zucker. Im übrigen ...“
Was pflegte Gina ihr zu sagen, wenn es einmal Schokolade gab?
„Vielleicht muss man ihn zusammen mit dem Kakao kochen?“
Cristina
machte ein grimmiges Gesicht; ihre Stimme bekam einen keifenden
Klang. „Meint Sie, ich wüsste nicht, wie man Schokolade
kocht? Ich habe schon in der Küche des Vizekönigs
gearbeitet, als Sie noch in die Windeln gemacht hat.“
Mirella
wurde rot. „So ... habe ich das nicht gemeint. Was ich sagen
wollte ...“ Sie biss sich auf die Lippen. Was hatte sie
eigentlich sagen wollen? Dass ihr die Schokolade viel zu süß
war? Die Alte wäre tief gekränkt.
„Warum
trinkt Sie sie dann nicht aus?“
Mirella
unterdrückte einen Seufzer und nahm die Tasse wieder in die
Hand; da hallte das Rattern von Rädern durch die Gasse.
„Da
kommt der Wirt.“
„Sie
erkennt seine Kutsche am Klang der Räder?“
„Das
ist ein Karren; wie sollte er eine Kutsche besitzen!“
Mirella
stellte die Tasse ab. „Ich danke Ihr sehr für Ihre
Gastfreundschaft.“
Cristina
stand auf und trat ans Fenster. „Er hat wieder ein paar
aufgesammelt.“ Sie zischte missbilligend.
Mirella
knickste vor ihr und verabschiedete sich dann eilig, damit sie nicht
den Rest der Schokolade trinken musste.
Als
sie auf die Straße trat, stand das Fuhrwerk verlassen da. Sie
würde hoffentlich in der Trattoria
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