Königliche Republik (German Edition)
den
meisten Tischen schienen ihr unter den Zuschauern im Gericht gewesen
zu sein. „Ich bezweifle, dass wir uns hier unterhalten können.“
„Worüber
möchte Sie reden, Signorina. Sie hat getan, was Sie konnte.“
Mirella
atmete durch. „Meint Er das wirklich, Dottore ?“
„Im
Gegensatz zu vielen anderen Leuten meine ich immer, was ich sage!“
Er winkte einen Kellner herbei und band sich unelegant die große
Serviette um den Hals.
Erst
zwei Stunden später brachten die Gerichtsdiener das Geschirr
wieder zurück. Aber niemand kam, um dem Avvocato zu
sagen, dass die Sitzung wieder eröffnet würde. Scacciavento
bestellte ein zweites Dessert aus Struffoli und löffelte
es geräuschvoll in sich hinein, als habe er nicht soeben ein
komplettes Menü gegessen. Dann lehnte er sich zurück und
faltete die Hände über dem Bauch. „Signor Scandore,
ich danke Ihm für das vorzügliche Mahl.“ Natürlich;
Enzo musste alles bezahlen.
„Es
ist mir ein Vergnügen“, murmelte Enzo . „Doch wenn
Er nun endlich ...“
„Wir
gehen in Berufung, das ist doch klar. Noch geben wir die Sache nicht
verloren!“ Er winkte dem Kellner, ihm den Kaffee zu bringen.
„Allerdings ...“
Unter
dem Tisch presste Mirella die Knie aneinander, um nicht die
Beherrschung zu verlieren. Mittlerweile fand sie diesen Menschen
unerträglich. Nur der warnende Blick des Vaters hielt sie davon
ab, herauszuplatzen: Es war Enzos Sache, das Gespräch zu führen.
„Was
hat man denn Dario heute nachgewiesen?“
„Nachgewiesen,
Signor Scandore? Darauf kommt es nicht an. Er hat sich verdächtig
gemacht!“
„Aber
das ist absurd!“ Enzo schwollen die Stirnadern. „Mit
einem Essen in einem öffentlichen Gasthaus!“
„Nein.“
Der Avvocato lehnte sich zurück und rülpste,
immerhin hinter vorgehaltener Hand. „Warum konnte er nicht
sagen, dass er ein Brautkleid für die Signorina bestellen
wollte? Was sollte das schaden? Sie ist doch schon kompromittiert.“
„Kompromittiert?“
Mirella wollte den Mund nicht mehr halten. „Was fällt Ihm
ein!“
„Ja,
was soll man denn davon halten, Signorina, dass Sie diese unselige
und nun überflüssige Verlobung nicht aufgegeben hat? Das
kann doch nur heißen ...“
„Was?“
Mirella zischte ihn wütend an. „Sprech Er es nur aus, wenn
Er es wagt.“
Scacciavento
blitzte ebenso zornig zurück. „... dass es Grund gibt zu
glauben, Sie hielte sich für untragbar für einen
ehrenhaften Mann.“
„Aber
Mirella!“ Dass Rita sich einmischte, konnte sie jetzt
wahrhaftig nicht gebrauchen; sie funkelte sie an. Rita zog den Kopf
zwischen die Schultern und blickte hilflos zu Enzo.
Mirella
reckte sich. „Der Herzog de Toledo d’Altamira y Léon“,
einen Moment lauschte sie den Namen hinterher, „hat mich nicht
angerührt. Felipe ist ein Grande Spaniens – ein Mann von
Ehre.“
„Nun,
man schätzt die Spanier hierzulande nicht mehr. Und niemand kann
sich einen anderen Grund denken, warum Sie einen Feind der Republik
heiraten will.“
Mirella
zitterte vor Wut; sie sprang auf und stellte sich mit blitzenden
Augen vor ihn hin.
„Mirella!“
Enzos tadelnde Stimme ließ sie zu Verstand kommen.
Dürfte
sie diesem Scheusal doch nur sagen ... Sie setzte sich wieder und
schloss die Augen. Sie wollte Felipe überhaupt nicht mehr
heiraten. Zu spät; schlagartig verrauchte ihre Wut. Sie sank
zusammen. Nun gab es tatsächlich keinen anderen mehr –
jedenfalls diesen einen nicht. „Liebe“, flüsterte
sie. Mutlos und erschöpft kämpfte sie einen Moment mit den
Tränen, bevor sie den Avvocato wieder anblickte. Seine
Mundwinkel hingen herunter und drückten all seine Missbilligung
und Verachtung aus. Flüchtig fragte sie sich wieso, da er doch
anscheinend auch mit den Franzosen nicht gut stand. „Ich liebe
ihn.“
Der
Klang ihrer Worte stand einen Augenblick über dem Tisch. Er
hörte sich gut an und Rita nickte beifällig. Mirella hatte
überzeugend geklungen, denn sie hatte nicht Felipe vor Augen
gehabt, sondern Alexandre. Wieder stiegen ihr Tränen in die
Augen.
„Nicht
weinen, Kind“, sagte Rita. „Es wird alles gut.“
Ein
Gerichtsdiener kam an ihren Tisch. „ Dottore , das Hohe
Gericht tritt wieder zusammen.“
Mirella
starrte den Mann durch ihren Tränenschleier an. „Das ist
schlecht, nicht wahr, dass sich die Geschworenen so schnell einig
sind.“
Scacciavento
tätschelte ihre Hand, bevor er aufstand. Was bildete der sich
eigentlich ein, dass er es wagte, sie so anzufassen? „So
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