Königliche Republik (German Edition)
trat für einen Moment ein anderer,
wärmerer Ausdruck in seine Augen. „Ihr braucht nicht mehr
zu weinen, Signorina.“ Das also war es: Er hatte den Prozess
verfolgt um sicherzustellen, dass das Gericht trotz der Abwesenheit
de Guises dessen Befehlen gehorchte.
„Angesichts
des hohen Ansehens der Familie Scandore wird der Angeklagte bis zur
Fortführung des Verfahrens aus dem Gefängnis entlassen und
unter Hausarrest gestellt, sofern sein Vater ihn unter seine Obhut
nimmt. Der Vater hat für ihn zu bürgen.“
Enzo
stand schwerfällig auf. „Selbstverständlich, Euer
Ehren!“
Ein
Wächter nahm Dario die Ketten an Armen und Beinen ab. Er stützte
sich mit dem rechten Ellenbogen schwer auf den Tisch vor sich, als er
aufstand. Enzo stand schon neben ihm und streckte ihm seinen Arm
entgegen.
Stefania
drängte sich zwischen den Zuschauern hindurch nach vorne. Ein
Gerichtsdiener hielt sie auf. Sie wehrte sich gegen seinen Griff und
trat nach ihm. Der Mann blickte ratlos zum Richter. Der winkte ab und
er ließ sie los.
Mirella
lehnte erstarrt an der Wand. War ihr Meineid überflüssig
gewesen?
Montag, 27. Januar 1648
Darios
Gesicht war von Schlägen entstellt; am ganzen Körper hatte
er offene Wunden und Brandverletzungen. Ihm war zudem den linken Arm
oberhalb des Ellenbogens gebrochen worden und der Arzt meinte, der
Knochen sei so oft gesplittert, dass er nicht mehr richtig
zusammenwachsen würde. Seine Beine wiesen so viele Quetschwunden
auf, dass er noch immer kaum laufen konnte. Enzo hatte ihn ins Bett
befohlen und für einmal wagte Dario nicht, zu widersprechen.
Mirella
stickte nicht mehr. Sie hatte Rita erklärt, fürs Erste
wolle sie sich um Dario kümmern und könne ihm doch nicht
zumuten, dass er ihr beim Sticken zusähe. Rita hatte es mit
einem misstrauischen Blick zur Kenntnis genommen, denn auch Stefania
leistete Dario beständig Gesellschaft.
An
diesem Tag brachte sie ein langes Pamphlet mit. Sie hatte es
ungeniert von einer Hauswand abgerissen. „Don Juan hat sich zum
Vizekönig ausgerufen und de Arcos hat gestern die Stadt
verlassen. Seht her!“
„So
hat er sich ein Herz gefasst.“ Dario richtete sich mühsam
in seinen Kissen auf. „Bald wird Frieden sein.“ Er
streckte seine Hand aus und streichelte Stefanias Finger. „Dann
werden wir endlich dies alles vergessen können und heiraten.“
Er runzelte die Stirn. „Aber vorher muss ich wohl tatsächlich
zu Roccone, um Mirellas Brautkleid zu bestellen.“
„Ich
werde es nicht brauchen.“ Mirella zog Felipes Ring vom Finger;
sie hätte es längst tun sollen. „Ich heirate Don
Felipe nicht. Ich werde überhaupt nie heiraten!“
Dario
lächelte. „Aber gewiss wirst du das. Eines Tages. Doch ich
bin froh, dass es nicht Felipe ist. Du hast ihn nie geliebt.“
Der
zärtliche Blick, den er mit Stefania tauschte, ließ ihr
die Tränen in die Augen steigen. „Ich dachte damals, es
sei nicht wichtig. Schließlich ...“
„Und
was hat dich bekehrt?“
Stefanie
musterte sie mit einem amüsierten Grinsen. „Die Frage
lautet richtig: Wer hat dich bekehrt?“
Mirella
wurde blass. „Niemand.“ Sie reckte den Kopf. „Ich
bin von alleine darauf gekommen.“
Stefania
glaubte ihr nicht, das war unübersehbar. Aber sie wandte sich
wieder Dario zu. „Ich fürchte jedoch, du irrst dich,
Liebster. Die Stadt ist in Aufruhr. Don Juans Edikt hat dazu geführt,
dass sich die Streithähne besonnen haben. Zudem scheint es de
Guise zu gelingen, den Weg zum Hafen von Castel Volturno
freizukämpfen.“
„So
geht der Krieg weiter.“ Mirella stand auf. „Und wir
hungern, weil die Blockade zu Land bestehen bleibt.“
„Es
muss ein Ende haben!“ Dario schob sich aus dem Bett und hinkte
zu seinem Sekretär. Stefania sprang auf, um ihn zu stützen,
aber er wehrte sie ab. „Ich schaff das schon.“ Dann
lehnte er sich mit schmerzverzerrtem Gesicht an den Sekretär.
„De Guise hat mich zum Krüppel schlagen lassen.“
„Dario!
Das ist nicht wahr. Du verdankst ihm dein Leben!“
Mit
zornig blitzenden Augen wandte er sich Mirella zu. „Aber was
für eines. Gefangen; mit zerschlagenen Knochen.“ Sein
Blick ging zu Stefania und der Zorn verschwand aus seinem Gesicht.
„Wenn du nicht wärest ...“
„De
Guise hat dir das Leben gerettet“, beharrte Mirella.
Dario
nahm das Tintenfass, eine Feder aus ihrem Fach und einen Bogen Papier
aus einer Lade. „Aus persönlichem Kalkül.“
Seine Stimme vibrierte vor Verachtung. „Gewiss nicht aus
Großmut
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