Königliche Republik (German Edition)
dies
darunter an. Das rote passt nicht für eine Reisende.“
„Nein.“
Fast hätte sie mit dem Fuß aufgestampft. „Es ist
doch egal ...“
„Das
Kind ist übergeschnappt!“, wiederholte Gina.
Mirella
warf ihr einen Blick zu und Rita verstand. Sie nahm Mirella das rote
Kleid ab und wendete es. „Was ist Besonderes daran?“
Mirella
blickte zur Decke. Ihr war wohl bewusst, dass sie ein sehnsüchtiges
Flirren in ihren Augen haben musste. „Ich möchte mich
nicht bis zur Unkenntlichkeit kostümieren.“
Rita
lächelte. „Du willst, dass dich jemand erkennt, indem er
sich an das Kleid erinnert? – Oder an den Umhang?“
Mirella
nickte.
„Und
wie willst du wissen, ob der, der dich erkennt, der richtige ist?“
Sie grinste spitzbübisch und gab Mirella das Kleid zurück.
„Du bist dünn geworden in den letzten Monaten; lass es von
Gina enger machen. – Hol Nähzeug.“
Kopfschüttelnd
gehorchte Gina statt darauf hinzuweisen, dass es doch ganz
überflüssig wäre, wie sie es sonst getan hätte.
Dienstag, 25. Februar 1648
Mirella
zitterte nicht nur vor Kälte, als sie aus der Kutsche stieg und
hinter Enzo und Dario die wenigen Schritte bis zu den Stufen des Palazzo Reale ging. Rita zog sie an sich; ihr vertrauter
Lavendelgeruch hüllte sie ein. Wovor hatte sie sich eben noch
gefürchtet?
In
der Eingangshalle waren alle Leuchter mit Kerzen bestückt, als
gäbe es keinen Mangel. Die Diener trugen schwere Tabletts mit Vin brulé , um die Gäste willkommen zu heißen:
eine Sitte des Vizekönigs, die der Doge zuvor nicht übernommen
hatte. Was mochte ihn nun dazu veranlasst haben?
Doch
die Diener trugen keine Livreen mehr, sondern bürgerliche
Kleidung, sofern es Neapolitaner waren. Oder Uniformen, sofern es
Soldaten aus der Provinz waren. Zwei Soldaten der Garde gingen an
ihnen vorbei. Sie hatten nicht nur ihre Gesichter, sondern auch die
Rangabzeichen maskiert.
„Schlau!“
Dario pfiff anerkennend durch die Zähne. „Aber sie sollten
doch zu erkennen sein.“ Diese beiden hatten jedoch helle Haare;
keiner von ihnen konnte Alexandre sein.
Andrea
Falconieri, der neue Kapellmeister, rauschte im Kostüm eines
Troubadours an ihnen vorbei. Plötzlich blieb er stehen und
drehte sich noch einmal um. Er musterte Mirella, während sie zur
Treppe schritt. „Ich werde mit einer Tammuriata beginnen, Signorina.“ So hatte selbst er sie erkannt; wie
beruhigend.
Mirella
grüßte ihn mit einer Bewegung ihres Fächers. Eine Tammuriata ! Dass sie daran nicht gedacht hatte. Jeder würde
sie erkennen, der sie schon einmal hatte tanzen sehen. Auch Alexandre
hatte sie gesehen und sie war ihm dabei aufgefallen.
Sie
hakte sich bei Dario ein. „Tanzt du mit mir heute Abend?“
Er
lachte. „Auf einem Maskenball? Überflüssig.“
Erinnerte auch er sich an den letzten Ball beim Vizekönig?
„Einen
Tanz nur.“ Aber er konnte ihren bittenden Gesichtsausdruck
unter der Maske nicht sehen. So griff nach seiner Hand und drängte
ihn kurzerhand, die Treppe neben ihr hochzugehen.
„Nun
gut; einen. Aber den Rest des Abends musst du mir gestatten, die neue
Freiheit mit Stefania zu genießen.“
„Wenn
du sie findest.“
Dario
lachte voller Übermut. „Glaubst du, sie hätte mir
nicht verraten, was sie trägt?“
Gleich
darauf kam eine Melusina auf sie zu. „Wollt Ihr mein Ritter
sein, edler Herr?“
„Keinesfalls.
Würde Sie doch auf Nimmerwiedersehen entschwinden.“
„Nur
wenn Er mein Geheimnis entdeckt.“
Stefania
hakte sich bei ihm ein. „Wasserfeen fühlen sich nicht wohl
auf dem Trockenen.“
Zwei
breit gebaute Türkinnen schoben sich vor Mirella und versperrten
ihr den Blick auf Dario und Stefania. Dann waren die beiden in der
Menge verschwunden.
Langsam
ging Mirella weiter in Richtung des Ballsaals. Wenn Dario den ersten
Tanz mit ihr tanzen wollte, mussten sie dorthin gegangen sein. Aber
dort war keine Wasserfee.
Die
Flötenspieler nahmen Platz; der erste Geiger stand auf, um sich
mit ihnen abzustimmen. Sie waren schnell an diesem Abend – oder
nahmen es nicht so genau wie unter Trabaci.
Missmutig
blieb Mirella stehen. Vielleicht konnte sie Falconieri noch bitten,
die Tammuriata nicht als Erstes zu spielen.
Jemand
berührte sie an der Schulter. Die zweite, festere Berührung
machte ihr klar, dass dies kein Versehen gewesen war. Der Jemand
brummte neben ihr. Ein Bär – nicht nur die Maske, sondern
ein vollständiges Kostüm.
„Wenn
Er den Honig suchen sollte; dort hinten.“ Sie wies mit
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