Königliche Republik (German Edition)
dem
Fächer zu einer der Seitentüren, wo sie das Büfett
vermutete.
„Es
gibt Süßeres hier als Honig“, tönte es dumpf
aus der Maske.
Sie
neigte lauschend den Kopf. Kein Neapolitaner; das war Italienisch und
zudem mit schwerem Akzent belastet. „Tatsächlich?“
Ein
Lachen war die Antwort.
„Albert!
Wie habt Ihr mich erkannt?“
Noch
ein Lachen. „Wie kommt Sie auf den Gedanken, ich wüsste,
wer Sie ist?“
„Zieht
mich nicht auf! Habt Ihr mich erkannt oder nicht?“
„Gewiss
doch.“ Er wechselte ins Französische. „Gewährt
Ihr mir den ersten Tanz?“
Mirella
zögerte; sah sich noch einmal nach Dario um. Sie hatte den
Moment verpasst, Falconieri anzusprechen. Nun stand er schon auf dem
Podest und klopfte um Aufmerksamkeit heischend mit dem Taktstock.
„Ihr
habt ihn schon versprochen?“ Er brummte drohend. „Ich
würde es Euch nicht raten.“
„Es
ist mir zu gefährlich. Ich möchte meine Füße
eine Weile benutzen können heute Abend.“
„Ich
schwöre, ich werde Euch nicht treten.“
Dario
war immer noch nicht zu sehen. „Nun gut; ich werde ein wenig
auf Abstand halten.“
Mit
drohendem Brummen machte Albert ihnen den Weg frei bis zur
Tanzfläche. Mirella musterte die Gäste, die gegenüber
an der Wand standen. Alexandre tanzte nicht, was also suchte sie
dort? Dennoch enttäuschte es sie, niemanden zu entdecken, hinter
dessen Maske sie ihn vermuten konnte.
„Teuerster
Bär, die Signorina hat diesen Tanz mir versprochen“, ließ
sich Dario plötzlich zwei Schritte hinter ihr vernehmen.
„So
hätte Er die Dame besser hüten müssen, um Sein Recht
zu wahren.“ Albert griff nach Mirellas Hand.
„Kein
Grund zur Eifersucht. Ich bin nur der Bruder.“ Er drängte
sich neben sie. „Doch sollte nicht die Signorina selbst
entscheiden?“
Mirella
deutete zum Orchester. „Dies taugt wenig für einen
Franzosen. Aber ich muss Euch sprechen, Albert.“
„Albert?“
Dario trat einen Schritt zurück und wechselte ins
Neapolitanische. „Gewiss hat er dir etwas zu erzählen.“
Die Tammuriata begann mit langsamen Klängen der Streicher.
Zwei Frauen traten alleine auf die Tanzfläche und blickten sich
nach ihren Begleitern um. Sie zögerten augenscheinlich –
so waren auch diese Franzosen. Albert dagegen schritt mit festem
Tritt neben Mirella in die Mitte. Nein, er stampfte absichtlich, ganz
den Bären gebend.
„Ich
hoffe, ihr tretet mir nicht mit der gleichen Wucht auf die Füße.“
Er
verneigte sich vor ihr und einen Augenblick später war es
Mirella nicht mehr dringlich, dass sie ihn so viel zu fragen hatte.
Die anderen Tänzer wichen ihnen erst aus; dann wurde der Kreis
um sie größer und schließlich hatte Mirella den
Platz, den sie gewohnt war. Sie raffte ihren Rocksaum höher;
auch Albert wich einen Schritt zurück und dann hörte er auf
zu tanzen.
Als
das Stück zu Ende war, klatschten die Umstehenden und Gelächter
flog durch den Saal.
Albert
kam zu ihr zurück. „Der Kapellmeister komplottiert also
auch.“
Mirella
schlang sich ihr Tuch wieder um die Schultern. „Wie meint Ihr
das?“
„Jeder
weiß nun, wer Ihr seid.“
„Ihr
hattet mich zuvor schon erkannt; es wäre also ganz überflüssig
gewesen.“
„Ihr
wart aber nicht sicher, ob Eure Verkleidung dürftig genug ist.“
Das
Orchester begann eine Pavane und Albert führte Mirella ans Ende
der Reihe. Ein Zeremonienmeister tauchte wie aus dem Nichts auf und
begann die Figuren anzusagen.
Nun
stand sie zu weit entfernt von ihm, um mit ihm zu sprechen. Dann eine
Drehung, ein Platzwechsel, und noch eine Drehung. „Albert, ich
habe nichts gehört, was aus der Anklage ...“
Albert
trat zurück und der nächste Kavalier verneigte sich vor
ihr. Eine weitere Drehung und ein zweiter nahm sie am Arm, um mit ihr
durch das Spalier ans andere Ende der Reihe zu schreiten.
Wie
sie diese gezierten höfischen Tänze doch hasste. Wie lange
dauerte es, bis sie wieder Albert als Partner hatte?
„Ich
hatte Euch gesagt, dass es keinen öffentlichen Prozess geben
wird. Nicht in diesem Fall.“
Dem
nächsten Kavalier trat sie in ihrer Ungeduld ungeschickt auf den
Fuß.
„Sie
sollte besser üben“, kam in schwerem Neapolitanisch die
prompte Reaktion.
„So
stell Er mir Seinen Fuß nicht in den Weg!“
Der
Mann ließ sie einfach los; verblüfft starrte sie auf seine
Maske. Dann wandte sie sich ab. Sollte doch tanzen, wer wollte!
Albert,
nun ohne Partnerin, würde ihr wohl folgen. Mirella ging langsam
zu einer Seitentür.
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