Königliche Republik (German Edition)
sich. Einer der Flötenspieler legte
sein Instrument auf die Knie und tauschte die Blätter auf seinem
Notenständer aus.
Eine
Änderung des Programms; verwundert verfolgte sie Falconieris
Bewegungen. Er schob seine Manschetten ein paar Zentimeter höher
und schlug den Taktstock mit zwei sehr schnellen Bewegungen gegen
seine Linke – das würde wieder eine Tammuriata werden.
Alexandre
legte einen Arm um ihre Taille; sie folgte dem Druck seiner Hand und
trat mit ihm auf die Tanzfläche. Alle Kerzen schienen sich in
seinen Augen entzündet zu haben.
Das
Orchester spielte einen sehr kurzen Auftakt; Mirella entzog sich
seinem Griff und tanzte. Andere Paare hatten gar nicht erst die
Tanzfläche betreten. Sie ließ Alexandre nicht aus den
Augen und auch er wandte den Blick nicht von ihr. Nach zehn Takten
streckte er die Hand aus und zog sie an sich.
Dieser
Mann tanzte nie? Er tanzte die Tammuriata wie ein
Neapolitaner! Mirella flog.
Dann
hielt er sie in einer engen Drehung fest.
„Wo
habt Ihr das gelernt?“, flüsterte sie.
„Ich
habe Euch zugesehen“, raunte er in ihr Ohr.
Absichtlich
trat sie ihm auf den Fuß. „Ich kann es nicht glauben.“
Er
ließ sie los; dann holte er sie zurück. „Mir
scheint, ich kann es besser als Ihr; ich trete zumindest niemanden.“
Seine Augen funkelten vor Vergnügen.
Er
war geschmeidig wie eine Katze; es gab keinen Schritt, der ihm schwer
fiel. Sie hatten ihm nichts angetan. Dario hatte noch wochenlang
immer wieder nach Halt gesucht.
Es
war das pure, funkelnde Vergnügen. Die Wärme seiner Arme um
ihre Hüften erinnerte sie an jenen Abend auf dem Pizzofalcone;
und wie damals wünschte sie sich, dass er sie nicht mehr
losließe.
Sie
fasste nach seinen Händen. Doch er missverstand ihre Bewegung
wohl und ließ sie sofort gehen. Schnell lehnte sich mit dem
Rücken an seine Schulter und reckte ihren Kopf bis zu seiner
Halsbeuge.
Er
stockte einen Augenblick.
„Den
Schritt kanntet Ihr noch nicht.“
„Hm.“
Er drehte sie zu sich und sah ihr in die Augen. Was mochte er darin
lesen?
Das
Stück war zu Ende, die Musik verklang in einem hellen Flötenton.
Alexandre trat zurück und dankte ihr mit einer halben
Verneigung.
„Albert
hat behauptet, Ihr würdet niemals tanzen.“
„Er
wird wissen, warum er das gesagt hat.“ Ein Schatten verdunkelte
für einen Moment das funkelnde Licht in seinen Augen. Oder hatte
sie sich das nur eingebildet? Aber seine Stimme klang amüsiert.
„Albert wird es mir verzeihen.“ Er führte sie in die
Reihe der Tänzer, die sich zur Gagliarda aufstellten.
Sie
vertanzte sich zwei Mal, weil ihr Blick unausgesetzt an seinen
Bewegungen hing. Albert hatte sie angelogen, ganz offensichtlich.
Andererseits hatte Alexandre bis zu diesem Tag tatsächlich nicht
getanzt. Warum nur?
Die
Gagliarda endete in seinem Arm, der sich fest um sie legte. „Ich
habe Euch zu danken.“
Sie
suchte seinen Blick, darauf bedacht, sich keinen Fingerbreit weit von
ihm zu lösen. „Ihr tanzt wunderbar.“
„Das
meine ich nicht.“ Wieder ernst geworden, dirigierte er sie ans
Büfett. Er ließ sich zwei Gläser geben. „Kommt
hinaus in den Park. Es ist überraschend warm heute Abend.“
„In
der Champagne ist es länger Winter, nicht wahr?“
„Sehr
viel länger. Es würde Euch gewiss nicht gefallen.“
Das
war keine Abfuhr, oder? „Es kommt nicht aufs Wetter an, ob man
sich zu Hause fühlt. Bedauert Ihr es, nach Neapel gekommen zu
sein?“
„Nein,
Mirella. Es war richtig – was auch immer passiert ist.“
„De
Guise glaubt nicht mehr an einen Sieg.“
„Hat
er das gesagt?“ Alexandre zog sie auf eine steinerne Bank, auf
der weiche Kissen lagen. „Er hat wohl recht.“
„Aber
wie geht es dann weiter?“ Sie atmete den Geruch der Marseiller
Seife ein, in den sich der Duft der Bougainvillea um sie herum
mischte.
„Das
müsst Ihr selber entscheiden. Dies ist Euer Land.“
„Wir
sind des Hungers und der Kanonaden leid. Immer mehr sind zu jedem
Preis zum Frieden bereit.“
„Das
klingt, als sei Euch weniger daran gelegen als es sollte.“
Sie
erfasste nur halb den Sinn seiner Worte. „Wie meint Ihr das?“
„Musstet
Ihr nicht Eure Hochzeit wegen des Kriegs aufschieben?“
Ihr
Herz schlug heftiger. Sie nahm all ihren Mut zusammen und suchte
seinen Blick, gespannt auf den Ausdruck seiner Augen bei ihren
nächsten Worten. „Wenn es nach mir geht, wird diese
Hochzeit nie stattfinden.“ Unwillkürlich hielt sie den
Atem an.
„Warum?“
Seine
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