Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)
tatsächlich in Sinn hat, ist Leben als Kunstform.
"Für den Triumph des Bösen ist nur vonnöten, dass gute Menschen untätig bleiben”, zitiert Thompson Bobby Kennedy in “Songs of the Doomed”. Er lebt und schreibt mit den Instinkten und dem sensiblen Wahrnehmungsvermögen eines Mannes, der sich bewusst außerhalb der Gesellschaft bewegt und weigert, den Kotau vor jedweder kleingeistigen Amtsgewalt zu machen. Er ist ebenso rigoros in den Ansprüchen an die eigene Integrität wie in denen an seine Kunst. “Songs of the Doomed: More Notes on the Death of the American Dream; Gonzo Papers, Vol. 3”, kurz nach dem Sex-und-Drogen-Fall in Colorado veröffentlicht, enthält einige seiner unbändigsten und visionärsten Texte seit “Fear and Loathing in Las Vegas”.
Es dauerte neunundneunzig Tage, aber schließlich widerfuhr Dr. Thompson Gerechtigkeit. Die Regierung verlor das Vertrauen in ihren eigenen Fall.
“Nun ergreift Milton K. Blakey, Bezirksstaatsanwalt im und für den Neunten Gerichtsbezirk des Bundesstaats Colorado, das Wort und beantragt, dass dies Ehrenwerte Gericht den vorliegenden Fall abweist mit der Begründung, dass: ‘Das Volk sich nicht in der Lage sieht, eine Schuld jenseits
jeden berechtigten Zweifels nachzuweisen.’ Heute, am 30. Tag des Monats Mai im Jahre 1990.” So lautete der Antrag auf Abweisung der Klage, den der D.A. stellte. Richter Charles Buss gab dem Antrag statt und wies sämtliche Anklagepunkte endgültig ab, was bedeutet, dass sie nicht zu einem späteren Zeitpunkt wieder vorgebracht werden können. “Warum konnten Sie diese Entscheidung nicht bereits fällen, bevor Sie die Anklage erhoben haben”, fragte der Richter den Leitenden Stellvertretenden Bezirksstaatsanwalt Chip McCrory. Der D. A. erwiderte, dass er Probleme mit den Zeugen habe und die neuen Erkenntnisse deutlich zeigten, wie schwer es für die Staatsanwaltschaft geworden wäre, eine Verurteilung zu erwirken.
Dr. Thompson hatte zwar sein Recht bekommen, war aber kaum beschwichtigt. “Wir haben uns daran gewöhnt, dass jeder, der eine Dienstmarke trägt, uns mit Füßen tritt”, sagte er. “Aber Scheiße, jetzt reicht’s!”, schrieb er in einer Presseerklärung, die er am nächsten Tag von der Owl Farm aus veröffentlichte. Er prangerte die Klageabweisung als “pure Feigheit” an und sagte, er werde beim Obersten Gerichtshof “unverzüglich Berufung einlegen”.
Thompson betitelte den “ganzen verdammten Stab” des Bezirkstaatsanwalts “als Schlägerbande, Lüg – ner, Halsabschneider und arbeitsscheues Gesindel ... Diese Dumpfbacken haben versucht, mein Leben zu ruinieren”, sagte er, “und jetzt raten sie mir, ich soll das alles einfach vergessen.” “Die sind die Schuldigen. An ihren Füßen sollte man sie aufhängen, an den eisernen Telefonmasten entlang der Straße nach Woody Creek!”
Statt sich zu verkriechen und seine Wunden zu lecken, hat Dr. Thompson eine neue offensive Kampagne ins Leben gerufen und die “Stiftung Vierter Verfassungszusatz" gegründet, “um die öffentliche Aufmerksamkeit dafür zu schärfen, wie sehr der Vierte Zusatz der Verfassung der Vereinigten Staa – ten in seiner Bedeutung und Wirksamkeit unterhöhlt wird und dass infolgedessen die Bedrohung der Privatsphäre, des Friedens und der Sicherheit der Staatsbürger innerhalb ihrer vier Wände immer stärker wird. Zudem wollen wir Staatsbürgern, deren Recht auf Privatsphäre verletzt wurde, juristischen Beistand gewähren.”
Für den Doktor liegt der wahrhaft unheilvolle Aspekt seines Falls darin, dass sämtliche Regierungskräfte diese Nation im Namen eines undurchschaubaren Krieges gegen die Drogen in einen Polizeistaat verwandeln.
Im August 1990 trat Dr. Thompson wieder vor die Schranken des Gerichts. Diesmal, um zu erklären, er werde gegen das Büro des Bezirksstaatsanwalts, kollektiv und individuell, eine 22 – Millionen-Dol – lar-Zivilklage erwirken, und zwar wegen unrechtmäßiger Strafverfolgung, grober Fahrlässigkeit und kriminellen Vergehens im Amt mit böswilliger Absicht.
“Der Schuss ist nach hinten losgegangen”, schreibt Dr. Thompson. “Sie sind allesamt verloren. Schon bald werden sie im Gefängnis sitzen. Diese Hundesöhne besitzen nicht mehr Respekt vor dem Gesetz als das Diebsgesindel in Washington. Sie wird dasselbe Schicksal ereilen wie Charles Manson und Neil Bush.”
Man sitzt beim Mittagessen. Es ist jetzt vier
Uhr morgens. Früher am Tag – tatsächlich wohl am Tag
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