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Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)

Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)

Titel: Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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Blut an den Händen in der Abenddämmerung auf und ab fahren und dabei traurig unsere Namen rufen …
    Oh Geist, oh verloren, verloren und gegangen, oh Geist, kehr doch wieder zurück.
     
     
    Genau. So viel zum Herbst. Die Bäume sind krank und die Tiere kommen einem in die Quere und der Präsident ist wie gewöhnlich
schuldig und die meisten Tage sind sowieso zu lang … Also, vergiss mein Gedicht. Es war von Anfang an daneben. Ich hab ein frühes Werk von Coleridge abgekupfert und anschließend versucht, ihm meinen groben Stempel aufzudrücken, aber das ist mir misslungen.
    Na und? Ich wollte sowieso nicht ewig über den beschissenen Herbst reden. Ich saß nur hier in der Frühe eines frischen Sonntagmorgens, wartete darauf, dass die Footballspiele begannen, und gönnte mir eine verdammt kurze Verschnaufpause in diesem Blizzard aus Charakterdarstellern und persönlichen Biografen und widerwärtigen Paparazzi, der in diesen Tagen um mich tobt (Gott sei Dank schlafen sie jetzt – manche sogar in meinem Bett). Ich saß hier ganz allein und dachte doch tatsächlich an die guten alten Zeiten.
    Wir waren arm, Jann. Aber wir waren glücklich. Weil wir Tricks draufhatten. Wir waren smart. Nicht verrückt, wie man uns nachsagte. (Nein, keiner kann uns nachsagen, dass wir je zu spät zum Dinner gekommen wären, oder?)
    Ho ho. So richtig locker sitzt das Lachen nicht in diesen Tagen, was? Der einzige Typ, der überhaupt Spaß in der Öffentlichkeit zu haben scheint, ist Prinz Cromwell, mein ausgefuchster und humorloser Nachbar – der Schafe stiehlt und Frauen vermöbelt wie Mike Tyson.
    Wer weiß, warum, Jann. Manche Leute sind so irre, dass man sie nicht versteht.
    Du hast eine gehörige Wegstrecke zurückgelegt seit jenen Zeiten, als du noch der blutdürstige Nachrichtenjäger mit dem Funkeln in den Augen warst. Vielleicht solltest du versuchen, mal etwas anderes zu lesen als diese verschissenen Motorradmagazine  – sonst stellst du noch eines Tages fest, dass dir Haare auf den Handflächen wachsen.
    Verlass dich drauf. Du kannst nicht ewig nur auf »deinem Bock sitzen«, sozusagen … Sonst werden die Kräfte des Bösen die Macht übernehmen. Sei also auf der Hut …
    Aber das ist im Augenblick nicht unser Thema. Wen schert das einen Dreck? Wir sind doch schließlich alle Profis … Aber nicht unser Problem. Nein. Es ist das Problem von JEDERMANN . Es ist ÜBERALL . Die Frage ist unser Wa ; die Antwort ist unser Schicksal … und die Geschichte, die ich dir jetzt zu erzählen habe, Jann, ist grässlich.
     
     
    Ich schreckte plötzlich aus dem Schlaf auf, greinte und quasselte und lachte wie ein Bekloppter über das Gespenst auf meinem Fernsehschirm. Richter Clarence Thomas … Ja, ich habe ihn gekannt. Aber das war vor langer Zeit. Vor vielen Jahren, und trotzdem erinnere mich noch sehr genau daran … ja, wirklich, er hat mich immer wieder heimgesucht wie ein Golem, bei Tag und bei Nacht, Jahr für Jahr.
    Es schien nichts Besonderes zu sein, damals, nichts als eine weitere unheimliche Regennacht auf der Wüstenhochebene … Ach, was soll’s! Wir waren viel jünger. Ich und der Richter . Und all die anderen auch, sowieso … Es war eine andere Zeit. Die Menschen waren freundlich. Wir vertrauten einander. Teufel auch, man konnte es sich in jenen Tagen leisten , unter wüste Fremdlinge zu geraten, ohne um sein Leben zu fürchten, um seine Augen, um seine Organe oder gar um sein gesamtes Geld. Ebenso wenig musste man Angst haben, lebenslänglich ins Gefängnis gesperrt zu werden. Man spürte, dass Möglichkeiten winkten. Die Menschen waren nicht so furchtsam, wie sie es jetzt sind. Man konnte nackt durch die Gegend laufen, ohne dass gleich geschossen wurde. Man konnte jederzeit in den Außenbezirken von Ely oder Winnemucca oder Elko ein Motelzimmer mieten, wenn man sich in einem mitternächtlichen Wolkenbruch verirrt hatte – und niemand rief die Polizei, nur damit sie deine Kreditwürdigkeit überprüfte und die Anzahl deiner Arbeitsstellen und deine Krankengeschichte und wie viele offene Strafmandate wegen Falschparkens du noch in Kalifornien hast.
    Es gab Gesetze, aber sie wurden nicht gefürchtet. Es gab Regeln, aber sie wurden nicht sklavisch verehrt … so wie Gesetze und Regeln und Cops und Informanten heutzutage gefürchtet und verehrt werden.
    Wie ich schon sagte: Es war eine andere Zeit. Und ich weiß, der Richter würde heute Abend dasselbe sagen, wenn er im Sinn hätte, dir die Wahrheit zu

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