Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)
oder gegen die Gesetzesvorlage sein sollte, sondern habe sie nur lesen wollen, bevor er seine Stimme
abgab. Zu jenem Zeitpunkt waren nur zwei Exemplare des dreihundertsechsundvierzig Seiten umfassenden Dokuments vorhanden, und die Senatsmitglieder waren wegen einer Anthrax-Drohung aus ihrem Gebäude evakuiert worden.
Diese gesetzliche Verfügung des Kongresses erlaubt es, Nicht-US-Bürger, die terroristischer Gewalttaten verdächtigt werden, festzunehmen, ohne Anklage zu erheben oder sich richterlicher Genehmigung zu versichern. Sie gestattet großzügige Abhörmaßnahmen und weitet die heimlichen Vorgehensweisen, Überwachungen und Lauschangriffe, die das Geheimgericht Foreign Intelligence Surveillance Court anordnet, auch auf amerikanische Staatsbürger aus. Dieses Gericht ist auf dem Dach des Justizministeriums in einer Art Tresorraum untergebracht und erlaubt nur stellvertretenden Justizministern, vor seinen Schranken zu erscheinen. Man stelle sich einen Prozess vor, in dem nur der Rechtsbeistand der einen Seite vor Gericht auftreten darf. Kein Wunder, dass dies Geheimgericht in seiner vierundzwanzigjährigen Geschichte keinen einzigen Antrag auf Überwachung abgelehnt hat. Bis zum letzten Monat, als der Geheimrichter sich weigerte, diese geheimen Vorgehensweisen auch auf normale Staatsbürger auszuweiten, und dabei fünfundsiebzig Fälle verzeichnete, in denen das FBI gelogen hatte. Das Justizministerium, das man besser wohl »Just us«-Ministerium nennen sollte, hat gegen diese geheime Entscheidung bei einem geheimen Revisionsgericht Berufung eingelegt, das sich vermutlich an einem weiteren geheimen Ort befindet.
Gleichzeitig hat die Gefängnisbehörde durch eine Vollzugsermächtigung die Überwachung von Gesprächen zwischen Anwälten und ihren Mandanten auf Anweisung des Justizministers gestattet, ohne dass hierzu eine richterliche Genehmigung eingeholt werden müsste. Vor beinahe hundertundfünfzig Jahren mahnte der oberste Gerichtshof diejenigen, die an der Macht waren:
Die Verfassung der Vereinigten Staaten ist das verbindliche Gesetz für Regierende wie für das Volk, im Krieg wie im Frieden, und sie hält ihren Schutzschild über alle Gesellschaftsklassen, zu allen Zeiten und in allen Lebenslagen. Keine Doktrin, die schlimmere Folgen zeitigen könnte, ist je von Menschengeist ersonnen worden als die, dass jede erdenkliche Bestimmung zeitweilig aufgehoben werden kann, sobald sich die Regierung in einem Notstand befindet.
Aber dies ist nicht das erste Mal, dass die Bürgerrechte in nationalen Krisenzeiten untergraben werden. Abraham Lincoln setzte das großartige Freiheitsrecht Habeas Corpus aus, Woodrow Wilson veranstaltete die Palmer Raids, seine Kommunistenjagden, und Franklin Roosevelt internierte asiatisch-amerikanische Bürger ausschließlich wegen ihrer Herkunft. All das reicht, um sogar den leidenschaftlichsten Bürgerrechtsvertreter frustriert aufgeben zu lassen. Nicht aber Sie, Doc, nein, Sie haben sich geweigert, stumm zu bleiben oder wortlos im Dunkel der Nacht zu verschwinden. Ihr unermüdliches Eintreten für Menschen, die der Unterdrückung durch die Amtsgewalt ausgeliefert sind, geschieht im traditionellen Geist wahrer Patrioten.
Sie haben sich für das Recht einer verschleppten jungen Innuitfrau eingesetzt, die sich in einer unerbittlichen juristischen Verstrickung wiederfand, welche darauf hinauszulaufen drohte, sie als Verbrecherin ins Gefängnis zu sperren, weil sie den Versuch unternommen hatte, ihre Handtasche von einer räuberischen Schlägerbande zurückzubekommen. Weil Sie darauf bestanden, trommelten wir ein Team von Anwälten zusammen und starteten einen mittäglichen Sturmangriff auf das Gerichtsgebäude von Leadville am Fuß der Continental Divide. Wir flogen in einer Beechcraft King Air ein, in der sich so viele Mitstreiter und Helfer befanden, dass Bruder Semmes Luckett ausgerufen haben soll: »Nicht mal König Faruk hatte ein so großes Gefolge.«
Kürzlich haben Sie mit Pauken und Trompeten dazu aufgerufen, eine inhaftierte Frau aus Colorado zu verteidigen, Lisl Auman, die verurteilt war, lebenslang wegen der Missetaten einer anderen Person zu leiden, die sie kaum kannte. Die Vorstellung, dass ein Bürger oder eine Bürgerin den Rest seines/ihres Lebens wegen eines Verbrechens hinter Gitter verbringen muss, das er/ sie weder beabsichtigte, wünschte oder wollte, muss einfach jedem Sinn für Gerechtigkeit und Fairness widersprechen. Sie schafften es, Gewicht und
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