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Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)

Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)

Titel: Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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hielten wir an, um ein Sixpack zu kaufen. Der Richter ging in einen schäbigen Schnapsladen, der sich als Fassade für den Handel mit recht abartigen Artikeln der Ehehygiene entpuppte. Ich hatte ihm Geld für das Bier angeboten, aber er griff sich gleich meine ganze Geldtasche.
    Zehn Minuten später kam er mit massenhaft Alkohol und einem Plastikbeutel voller Pornofilme für insgesamt vierhundert Dollar wieder heraus. »Das Zeug wird meinen Jungs gefallen«, sagte er. »Und machen Sie sich keine Sorgen wegen des Geldes, ich hab Ihnen doch gesagt, dafür steh ich gerade. Die Burschen haben richtig Kohle.«
    Auf dem Vordach über dem Eingang des Commercial Hotel stand:
    WILLKOMMEN: PRÄSIDENTEN
DER EROTIK-FILMINDUSTRIE
STUDEBAKER SOCIETY
FULL ACTION CASINO/KENO IN LOUNGE
    »Parken Sie gleich hier vor der Tür«, sagte der Richter. »Keine Sorge. Ich bin in dem Laden hier wohlbekannt.«
    Das war ich auch, aber das erwähnte ich nicht. Seit vielen Jahren kannte man mich schon im Commercial, und zwar aus jener
Zeit, als ich sozusagen zwischen Denver und San Francisco pendelte  – gewöhnlich aus geschäftlichen Gründen, aber manchmal auch der Kunst wegen. An diesem besonderen Wochenende war ich jedoch hergekommen, um mich still und leise mit ein paar alten Freunden und Geschäftspartnern zu treffen, die in der Vorstandsetage der Adult Film Association of Amerika saßen. Ich war schließlich mal Nachtmanager im berühmten O’Farrell Theatre in San Francisco gewesen, der »Carnegie Hall des Sex in Amerika«.
    Tatsächlich war ich als Ehrengast geladen, aber ich sah keinen Sinn darin, den Richter in diese Dinge einzuweihen, war er doch ein völlig Fremder, der sich nicht ausweisen konnte, kein Geld hatte und einem sehr aggressiven Lebensstil frönte. Wir waren auf dem Weg ins Commercial Hotel, um von einigen seiner Freunde im Erwachsenenfilmgeschäft Geld zu borgen.
    Scheiß drauf, dachte ich. Es ist doch nur Rock’n’Roll. Und er war doch wohl so eine Art Richter … Oder vielleicht auch nicht. Für mich war er nicht viel mehr als ein krimineller Zuhälter ohne Fingerabdrücke oder ein reicher schwarzer Schafhirte aus Spanien. Wie auch immer. Jedenfalls war man gern mit ihm zusammen. (Wenn man Geschmack daran fand, das Abwegige zu wagen  – und das tat ich damals. Ebenso wie der Richter, wie ich fand.) Er hatte eine Vorliebe für abgründigen Spaß, besaß einen scharfen Verstand und fürchtete sich vor rein gar nichts.
    Am Haupteingang des Commercial herrschte eigenartig viel Betrieb für diese Uhrzeit, und es goss immer noch in Strömen, sodass ich lieber ausscherte und langsam um den Block fuhr.
    »Es gibt einen Seiteneingang in der Queer Street«, sagte ich zu dem Richter, als wir durch eine Flut schwarzen Wassers pflügten. Er wirkte aufgeregt, und das beunruhigte mich ein wenig.
    »Beruhigen Sie sich«, sagte ich. »Ich kenne diese Leute. Es sind Freunde. Geld bedeutet nichts. Die werden sich freuen, mich zu sehen.«
    Wir betraten das Hotel durch den Eingang zum Casino. Der
Richter wirkte entspannt und konzentriert, bis wir um eine Ecke kamen und direkt in einen über drei Meter großen Eisbären liefen, der sich angriffsbereit auf den Hinterbeinen in die Höhe reckte und bei dessen Anblick der Richter völlig die Fassung verlor. »Langsam hab ich dies verdammte Biest satt!«, schrie er. »Es gehört einfach nicht hierher. Wir sollten ihm den Kopf wegblasen.«
    Ich fasste ihn am Arm. »Ganz ruhig jetzt, Richter«, forderte ich ihn auf. »Das ist doch nur White King. Und der ist schon seit dreiunddreißig Jahren tot.«
    Der Richter hatte für Tiere nichts übrig. Er fasste sich, und wir liefen in die Lobby ein. Von hinten steuerten wir auf die Rezeption zu. Ich ließ mich weiter zurückfallen – es wurde spät, und in der Lobby wimmelte es von Versprengten aus der Erwachsenenfilmtruppe, die verdammt verdächtig aussahen. Private Cowboycops mit sechsschüssigen Revolvern in offenen Halftern standen in der Gegend herum. Unser Eintreffen blieb nicht unbemerkt.
    Der Richter wirkte zurechnungsfähig, aber es lag etwas Bedrohliches in der Art, wie er zur Rezeption stolzierte und beide Hände auf die Marmorplatte des Tresens klatschen ließ. Plötzlich war die Atmosphäre in der Lobby wie aufgeladen, und ich trat den Rückzug an, als der Richter zu pöbeln begann und nach oben an die Decke zeigte.
    »Erzählen Sie mir doch keinen Scheiß«, bellte er. »Diese Leute sind meine Freunde. Und sie erwarten mich. Also

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