Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)
dankbar begrüßt werden würde.
Ich ließ den Verstärker das Schweinegekreisch alle zwanzig oder dreißig Sekunden hinausposaunen und sorgte live für anhaltende Schnellfeuersalven. Dann richtete ich den Millionen-Watt-Suchscheinwerfer hinunter auf das Haus und schwenkte ihn hin und her über die Dachterrasse und über die Fenster des Wohnraums.
Das tat ich ungefähr zehn Minuten lang, aber nichts geschah. Die einzige Reaktion, die unten zu bemerken war, bestand im stummen Aufflackern der Lampen kurz vorm Erlöschen, als würden die Bewohner alle schlafen gehen.
Na, dachte ich, das ist doch wohl unhöflich gegenüber Gästen, die Geschenke bringen, auch wenn sie sich etwas verspätet haben. Na und? So viel Unhöflichkeit ist jedenfalls unentschuldbar.
Mein nächster Schritt hätte durchaus fatale Folgen haben können. Ich wollte die Rakete starten, aber der Abzugsring riss ab, und das Ding fing zu zischen an. Daher schleuderte ich es schnell von mir und hörte, wie es den Abhang hinunter auf das Haus zurollte. Mein Gott, dachte ich, das sind extrastarke Phosphor-Leuchtraketen, und wenn das verfluchte Ding explodiert, wird es dem Haus da unten ergehen wie der Brücke in Apocalypse Now .
Hastig lud ich den Verstärker in den Jeep und sammelte so viele meiner leeren Messinghülsen ein, wie ich im Schnee finden konnte – und in dem Moment, als ich schon fast auf der Flucht war, fiel mir mein Geburtstagsgeschenk ein, das irgendwie aus dem Plastikbeutel gerutscht war und den Rücksitz mit Blut tränkte.
Langsam empfand ich eher gemischte Gefühle, was diesen Besuch betraf. Irgendwas haute nicht hin, und ich kam zu dem Schluss, dass es das Beste sei, auf der Stelle aus diesem Tal zu verschwinden. Es gab nur eine Straße, die hinausführte. (Wenn irgend so ein Unkenrufer Neun-Eins-Eins gewählt hatte, um plötzliche Schreie und Schüsse am Haus der Nicholsons zu melden, könnte das zum Problem werden, weil ich mich bereits fast am Ende eines Canyons befand, aus dem die Flucht einzig und allein auf dem Fluss möglich war, und das kam für mich nicht infrage.)
Aber wieso ?, fragte ich mich. Wieso ließ ich mich zu so negativen Gedanken hinreißen? Schluss mit diesem Gerede von »Flucht«. Ich bin hier auf einer Freudenmission. Und Nachbarn gibt es weit und breit keine. Es war ein dunkler und friedvoller Ort – und doch auch auf vielerlei Weise unwirtlich und nicht gerade einladend, um hier in die Falle zu geraten.
Ich schüttelte diese negativen Gedanken ab, als ich Jacks Auffahrt hinaufbretterte, entschlossen, meine Geburtstagsgeschenke abzuliefern. Die gusseisernen Schakale auf den Torpfosten erschreckten mich nicht mehr, und ich wusste, dass ich mein Ding schnell durchziehen konnte.
Ich fuhr den Jeep hinauf bis vor den Vordereingang und ließ den Motor laufen, während ich das blutende Wapitiherz vom Rücksitz holte und zum Haus hinauf trug. Ich klingelte ein paarmal an der Tür, bevor ich aufgab und das Herz – ungefähr fünfundzwanzig Zentimeter hoch und fünfzehn Zentimeter breit – so an
die Tür gelehnt zurückließ, dass es garantiert ins Haus kippen würde, wenn jemand die Tür öffnete. Angesichts der Unhöflichkeit, mit der man mir begegnet war, hielt ich diese Maßnahme für durchaus berechtigt, aber jetzt ergriff mich doch die Panik. Auf dem Rückweg zum Wagen ballerte ich die restlichen Kugeln aus dem Clip in die Luft, damit meine Waffe leer war, und winkte dann geistesabwesend mit blutigen Händen in Richtung des Hauses, weil ich sicher war, drinnen jemanden gesehen zu haben, der mich durch das verdunkelte Küchenfenster beobachtete. Das machte mich nur noch wütender, weil ich es als Brüskierung empfand.
Aber ich machte mich schnell davon, ohne weiteren Lärm oder Irrsinn außer den Schüssen, die ungewöhnlich laut knallten und meinen beiden Trommelfellen stechende Schmerzen zufügten. Ich haute den niedrigen Gang rein und ließ den Jeep auf die Straße schleudern. Es wurde Zeit, nach Hause zu fahren und tief zu schlafen – und es war weder Polizei zu sehen, noch gab es andere Hindernisse, als ich den Jeep vorsichtig über die vereiste Straße lenkte. Ich nahm die Venus ins Visier, den Morgenstern, und parkte, sicher von ihr geleitet, noch vor Sonnenaufgang in meiner Garage.
Der Rest des Morgens verging in hektischer Betriebsamkeit. Das Faxgerät piepte unentwegt. Es kamen die gewohnten Pressemitteilungen aus dem Weißen Haus, dazu zwei betrügerische Angebote
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