Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)
aus Hollywood und ein sechzig Seiten langes, einzeilig geschriebenes Transkript von General Douglas McArthurs letzter Ansprache an die »lange graue Reihe von Kadetten mit stahlhartem Blick auf dem Felde von Westpoint« im Frühling 1962 und dazu weitere neununddreißig Seiten der »Alte Soldaten sterben nie«-Rede, die er vorm Kongress gehalten hatte, nachdem er gefeuert worden war.
Solche Sachen speit das Fax Tag für Tag in mein Haus, und ich
gebe mir die größte Mühe, aus ihnen schlau zu werden. Die verschiedensten Leute wollen die verschiedensten Dinge auf dieser Welt, und man muss sorgfältig darauf achten, keine zu großen Risiken einzugehen. Hungrige Menschen sind listenreich wie wilde Tiere. Etwas, das einem gestern noch seltsam und falsch vorkam, kann morgen bereits absolut vernünftig erscheinen, und umgekehrt.
Ich wunderte mich zum Beispiel ganz und gar nicht, als ich erfuhr, dass Bill Clintons Hauptsorge in diesen Tagen seinem Platz in der Geschichte gilt, seinem Vermächtnis und dem Bild, das er in hundert Jahren in den Highschool-Lehrbüchern abgeben wird. Er habe seine Arbeit getan, findet er, und jetzt sei die Zeit gekommen, sich einen Platz im Pantheon der großen amerikanischen Präsidenten zu sichern, und zwar in Gesellschaft von Lincoln und Coolidge und Kennedy.
Und warum auch nicht? George Bush hatte dasselbe Problem und Richard Nixon ebenfalls. Nur ein krimineller Freak würde es darauf anlegen, als Gauner oder als Gimpel oder als Marionette eines heimtückischen Scheusals wie J. Edgar Hoover in Erinnerung zu bleiben … Aber das ist eben das Berufsrisiko, wenn man es irgendwann schafft, ins Weiße Haus einzuziehen. Hundert Pro! Man wird auf jeden Fall etwas zusammenstricken – sogar eine ganze Masse: Bücher, Filme, Legenden und vielleicht sogar dreckige Lügen über Dolchstöße und widernatürliche Unzucht, die dich bis ins Grab verfolgen werden. Seht euch nur Nixon an, seht euch Reagan an und sogar JFK. Die Geschichte ist niemals rücksichtsvoll gewesen, wenn es darum ging, die Entarteten zu richten – aber es ist auch wahr, dass einige dieser Entarteten wohlmeinender behandelt werden als andere, und eben deswegen ist Bill Clinton so besorgt. Er wird gemocht, aber nicht besonders gemocht, und das ist keine stabile Basis für weitere zweieinhalb Jahre. Im Moment mögen die Wähler ihn noch, weil
sie glauben, dass er sie reicher gemacht hat – aber im Jahr 2000 werden sie wahrscheinlich Al Gore wählen. (Großer Gott, wie schaurig sich das anhört, äh? Wählt Gore im Jahr 2000 . Aber macht euch darauf gefasst. Es wird geschehen. Seid auf der Hut.)
Ich grübelte an jenem klaren Wintermorgen über diese Dinge nach, als mein Telefon klingelte und ich eine weibliche Stimme hörte, die hysterisch kreischte: »Vorsicht, die Polizei kommt!« und »Überall Blut« und »Furchtbare Tragödie gestern Nacht bei Jacks Haus«.
Gütige Götter, dachte ich. Wovon redet die da? Welche Tragödie? Scheiße, so um drei Uhr war ich doch dort, und alles kam mir so friedlich vor. Was mochte denn bloß geschehen sein?
Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Beide Telefone klingelten gleichzeitig, aber mir war irgendwie mulmig, und ich konnte nicht rangehen. Dann hörte ich die Stimme des Sheriffs auf dem einen Anrufbeantworter und auf dem anderen eine wütende Litanei von Paul Pascarella, dem berühmten Künstler, der erklärte, er rase gerade mit einer Schrotflinte und einer 44er Magnum zu Jacks Haus. Das Haus befindet sich im Belagerungszustand, sagte er, überall Cops. Irgendein Geistesgestörter hat letzte Nacht versucht, Jack und seine Kinder umzubringen, ist aber entkommen und läuft wohl noch frei im Wald umher, wie die Cops meinen. Es handelt sich um einen Killer, der gerade erst aus dem Gefängnis ausgebrochen ist. Ich glaube, Jack ist okay. Mein Gott, wie furchtbar das alles ist. Dann fuhr Paul in den Canyon, und die Verbindung brach ab.
Die Nachricht des Sheriffs hatte so ziemlich denselben Inhalt. »Das wird ein Riesending«, sagte er. »Ich richte bereits eine Kommandozentrale als Verbindung zu den nationalen Medien ein. Die sprechen von einem Attentatsversuch. Wir haben eine Straßensperre errichtet und ein Aufgebot mit Hunden losgeschickt, das die gesamte Gegend absuchen soll. Zur Mittagszeit werden wir auf CNN sein – und übrigens, weißt du zufällig etwas von dieser Sache? Wenn ja, ruf mich bitte an, bevor es zu spät ist.«
Zu spät?, dachte ich. Blödsinn. Zu
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