Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)
eigentlich?«
»Auf den Feind«, sagte ich barsch. »Der ist da unten und klaut unser Benzin.«
»Blödsinn«, sagte sie. »Der Tank ist seit Juni leer. Wahrscheinlich hast du jetzt einen Pfau erledigt.«
Bei Morgengrauen ging ich runter zum Tank und stellte fest,
dass ich den Benzinschlauch mit Schrotkugeln zerfetzt und zwei Pfauen erschossen hatte.
Na und?, dachte ich. Was ist im Augenblick wichtiger – mein kostbares Benzin oder das Leben von ein paar blöden Vögeln?
Genau, aber die New Yorker Börse öffnete am Montagmorgen, und daher muss ich was Solides an die Hand kriegen. Der nächste Schlag wird bestimmt kommen, und er wird verdammt heftig sein. Es wird Zeit, Stärke zu beweisen. Der Teufel ist los. Wer weiß, was noch geschehen wird?
Ich jedenfalls nicht, Kumpel. Gerade deswegen lebe ich ja hier in den Bergen mit einer Fahne an meiner Veranda und lasse Wagner-Musik aus meinen Lautsprechern dröhnen. Ich schätze mich glücklich und besitze jede Menge Munition. Das ist Gottes Wille, wie man sagt, und deswegen schieße ich in der Dunkelheit auf alles, was sich bewegt. Früher oder später werde ich etwas Böses treffen und mich nicht schuldig fühlen. Es könnte ja Osama bin Laden sein. Wer weiß? Und wo bleibt Adolf Hitler, wenn wir ihn brauchen? Es ist immer übel, ohne Angriffsziel in den Krieg zu ziehen.
In Zeiten wie diesen, wenn die Kriegstrommeln dröhnen und die Signalhörner blutrünstig erschallen, denke ich anVince Lombardi und frage mich, wie er mit der Situation umgehen würde … der gute alte Vince. Er war stets fanatisch auf einen Sieg aus, um jeden Preis, und dieser Siegesdurst war rein – oder zumindest ist es das, was er uns sagte und seine Legende uns weismachte. Aber man sollte sich vor Augen führen, dass er es während seiner Karriere noch nicht einmal in die Top Twenty der Siegtabelle gebracht hat. Wir befinden uns jetzt im Krieg, wie Präsident Bush sagt, und ich nehme ihn beim Wort. Er sagt außerdem noch, der Krieg könne »eine sehr lange Zeit andauern«.
Generäle und gelehrte Militärexperten werden euch sagen, dass acht oder zehn Jahre keine besonders lange Zeitspanne in der Menschheitsgeschichte sind – was zweifellos stimmt –, aber die Geschichte lehrt uns auch, dass zehn Jahre unter Kriegsrecht
und unter den Bedingungen der Kriegswirtschaft den Menschen, die heute in den Zwanzigern sind, wie eine ganze Lebensspanne vorkommen werden. Die armen Hunde aus der Generation Z, wie sie in alle Ewigkeit heißen wird, sind dazu verdammt, die erste amerikanische Generation zu werden, die mit einem niedrigeren Lebensstandard aufwachsen wird als ihre Eltern.
Das sind äußerst schwerwiegende Nachrichten, und es wird eine Weile dauern, bis sie Wirkung zeitigen. Die zweiundzwanzig Babys, die in New York City geboren wurden, während das World Trade Center brannte, werden niemals wissen, was ihnen entgangen ist. Die letzte Hälfte des 20. Jahrhunderts wird uns im Vergleich zu dem, was jetzt kommt, wie eine wilde Party für reiche Kids erscheinen. Die Party ist vorbei, Leute. Für den loyalen Amerikaner ist die Zeit gekommen, Opfer zu bringen … Opfer zu bringen … Opfer zu bringen. So lautet die neue Parole in Washington. Was sie jedoch bedeutet, ist nicht ganz klar.
Winston Churchill hat gesagt: »Das erste Kriegsopfer ist immer die Wahrheit.« Und er hat auch gesagt: »Im Krieg ist die Wahrheit so kostbar, dass sie immer von einer Leibwache von Lügen umgeben sein sollte.«
Diese Weisheit wird für die Babys, die in der vergangenen Woche geboren wurde, kaum tröstlich sein. Die erste Nachricht, die sie auf dieser Welt erreicht, wird eine Nachricht sein, die zuvor der Zensur des Militärs anheim gefallen ist. Das ist in Kriegszeiten selbstverständlich, und dazu kommen noch Kampagnen mit Bedacht gestreuter »Des-Information«. Das ist in Kriegszeiten gang und gäbe – zutreffend für sämtliche Länder und sämtliche Frontkämpfer – und ein schwieriges Problem für alle, die wahrhaftige Nachrichten zu schätzen wissen. Und das ist es auch, was Churchill meinte, als er sagte, die Wahrheit sei immer das erste Kriegsopfer.
In diesem Fall jedoch war das erste Opfer der Football. Letzte Woche wurden sämtliche Spiele abgesagt. Das ist der NFL noch nie passiert. Noch nie. Und es gibt uns einen Hinweis auf die
Tragweite dieses Kriegs. Terroristen tragen keine Uniform, und ihre Spielregeln sind unergründlich – die Spielregeln des 3. Weltkriegs, der bereits
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