Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)
wenn ich Stoff gegeben und den Mistkerl einfach platt gemacht hätte. Diese Scheißer hier behandeln mich, als hätte ich Lepra.«
Nummer 4 – (Dabei handelt es sich um eine der Regeln für Fortgeschrittene, aber schieben wir sie hier dazwischen, solange noch Platz ist.) Vermeidet unter allen Umständen den Konsum jedweder Drogen oder alkoholischer Getränke sowie das Aufkommen von Hybris oder Langeweile, denn diese könnten euch allesamt verleiten, ein Auto zu stehlen & es gegen eine Betonmauer zu setzen, nur um den Adrenalinstoß bei der Explosion der Airbags zu genießen. Diese neuste Marotte reicher Teenager in L.A. ist eine äußerst fortgeschrittene Technik, an der sich nur reine Amateure versuchen sollten, und es sollte auch unter keinen Umständen zweimal geschehen. Ich weiß, wovon ich rede.
Nummer 5 – Der Verpflegungsplan sollte folgendermaßen aussehen: frischer Spinat, heiß serviert, Wellfleet Austern und dicke Scheiben Knoblauchtoast aus Sauerteigbrot mit Salz und schwarzem Pfeffer. Das Ganze zwei Stunden vor Abfahrt zu sich nehmen, Menge nach Bedarf. Dazu passende Getränke: Grolsch Bier in der grünen Flasche, ein trockener Weißwein, im Eichenfass gereift, sowie ein hohes Glas voller Eiswürfel & Royal Salute Scotch für den Turbolader-Effekt.
Starker schwarzer Kaffee sollte während des Essens in kleinen Schlucken zu sich genommen werden, gefolgt von in Grand Manier getränktem dunklem Schokoladenkuchen zum Dessert. Das Rauchen von Haschöl steht jedem frei, wird aber wahrhaftig nicht empfohlen, bevor man mit hundertfünfzig Meilen die Stunde durch Wohngegenden brettert. Das Inhalieren von starkem Haschischrauch sollte man sich aufsparen, bis man von der Spritztour zurück ist und die Nervenenden bloßliegen.
Die Ducati 900 im Test, 1995 (Paul Chesley)
Der Song vom Wurstmenschen
Es gibt einige Dinge, die niemand auf der Welt braucht, und ein grellroter, buckliger, Warpgeschwindigkeit fahrender 900cc Café-Racer zählt dazu – aber ich will ihn trotzdem, und an manchen Tagen glaube ich sogar, dass ich ihn lebensnotwendig brauche. Deswegen sind die Dinger ja so gefährlich.
Heutzutage fährt jeder Hans und Franz ein schnelles Motorrad. Manche Leute rasen mit hundertfünfzig Meilen die Stunde auf zweispurigen Asphaltstraßen, aber nicht sehr oft. Es kommen einem zu viele Trucks in die Quere und zu viele Radarbullen und zu viele dämliche Tiere. Man muss schon leicht wahnsinnigsein, um diese Hochgeschwindigkeits-Geschosse mit Superdrehmoment
woanders als auf einer Rennstrecke zu fahren – aber auch da jagen diese Motorräder einem eine Scheißangst ein … schließlich macht es ja nicht die Bohne Unterschied, ob man frontal mit einem Peterbilt-Laster zusammenknallt oder seitwärts in die Tribünen rauscht. An manchen Tagen kriegt man, was man will, und an anderen das, was man braucht.
Als Cycle World telefonisch bei mir anfragte, ob ich die neue Harley Road King Probe fahren wollte, wurde ich übermütig und sagte, mir wär ein Ducati Superbike schon lieber. Das schien damals eine angesagte Wahl zu sein, und meine Freunde in der Superbike-Szene reagierten schwer begeistert. »Abgefahren«, sagten sie. »Die nehmen wir mit auf die Rennbahn und blasen die Mistkerle weg.«
»Quatsch«, sagte ich. »Vergesst die Rennbahn. Die ist für Halbstarke. Wir sind Straßenfahrer. Wir sind Café Racer.«
Die Café Racer sind ein Menschenschlag für sich, und wir haben unsere ureigenen Szenarien. Vollgas im sechsten Gang auf einer Zwei-Kilometer-Geraden ist die eine Sache, aber Vollgas im dritten Gang auf Kiesbelag in einer S-Kurve bergab ist eine ganz andere.
Doch uns gefällt es. Ein Vollblut-Café-Racer würde im schlimmsten Freeway-Verkehr die ganze Nacht durch Hagel, Sturm und Nebel fahren, um die Straßenschleife zu testen, die ihm jemand angepriesen hat als die übelste und engste Haarnadelkurve, seit Dschingis Khan den Korkenzieher erfand.
Café Racing muss man mögen. Es verlangt eine atavistische Einstellung und ist eine eigentümliche Mischung aus wenig Rücksicht, viel Tempo, reiner Dummheit und übertriebener Hingabe an das Café Life und all seine gefährlichen Freuden … ich selbst bin auch Café Racer, an manchen Tagen – und entsprechend auch in vielen Nächten – und dabei handelt es sich um eine meiner gepflegteren Süchte …
Ich habe durchaus Narben an meinem Hirn und meinem Körper, aber mit denen kann ich leben. Ich erschauere noch immer,
wenn ich das Foto
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