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Königsallee: Roman (German Edition)

Königsallee: Roman (German Edition)

Titel: Königsallee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pleschinski
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rate dir zum Zirkuskapitel und nicht zur Überwältigung Krulls durch Madame Houpflé. Die Szene regt dich zu sehr auf.»
    «Pardon!» erwiderte er perplex und sammelte sich im Nu: «Die Zirkusszenerie ist mir zuwider. Ich habe sie fürs Volk hineingeschrieben, das gehöriges Tschingderassabum, Clownerie und eine halbnackte Trapezkünstlerin möchte.»
    «Wie dem auch sei, du hast’s geschrieben, und das Zirkuszelt macht sich famos. Aber der Vormittag. Es geht bald los. Führung durchs», las sie vom Plan, «Dumont-Lindemann-Archiv.»
    «Was ist das?»
    «Eine Art Theatermuseum. Sie sammeln heutzutage alles und jedes und stellen’s aus. Photographien von Mimen, Programmhefte und vielleicht Modelle von Kulissen. Ist doch ganz interessant und hier eine stadtbekannte Sache.»
    Er wirkte mäßig begeistert. Was sollte er lobend über einen Schauspieler mit Wallenstein-Halskrause sagen? Aber es fiele ihm schon Gewinnendes ein.
    «Sie besitzen auch, hörte ich, eine signierte Erstausgabe deines Fiorenza-Dramas.»
    «Das ist zu begrüßen.»
    «Der Mittagsschlaf wird knapp. Um halb drei Uhr steht die Kunstsammlung an. Morgen wird eine Ausstellung eröffnet, wir werden sie heute schon erleben. Cranach, Holbein, Rubens und obendrein Expressionisten. Die alten Meister können dir vielleicht Anregungen zu deinem Luther-Projekt geben, und außerdem verschafft der Rundgang dir Bewegung.»
    Er wehrte in unklarer Weise ab. «Kein Wort zu Luther heute, zum Roman. Der wird nie. Alles Erzteutsche habe ich im Faustus abgehandelt.»
    «Das sehen wir in Zürich. Du kannst ja italienische Kardinäle und ihr Gefolge mit hineinbringen. Laß es dich umkreisen. Plötzlich nistet ein erster Satz sich ein: In Wittenberg, in mondloser Nacht, als alle Glocken schwiegen … Aber bin ich Thomas Mann?» Sie lachte, er gequält ein wenig mit. So befand man sich doch wieder im alten Gleis.
    «Eine Dame, eine Frau», schaute sie vom Laufzettel hoch und schob den Teller beiseite, «läßt sich kaum abwimmeln. Ich sag’s frei heraus. Sie will ein Interview mit dir.»
    «Oh.» Er hob beide Hände und führte sie fast vors Gesicht: «Das dreimillionste. Nein. Wer? Für wen?»
    «Sie rief von jeder Bahnstation an. Vielleicht ist sie schon hier. Sie wolle dir auch nicht viel Zeit rauben.»
    «Ich hab’ keine mehr.»
    «Doch ein bißchen Disziplin, Tommy», wurde er erinnert. «Im Frühjahr wirst du Ehrenbürger deiner Heimatstadt …»
    «Nachdem sie mich bespuckten. Und nicht, weil ich zu verspielt wäre, sondern die hohlen Fassaden durchleuchtete und Bomben rechtfertigen mußte, die auf ihre fanatisierten Schädel fielen. Schrecklich alles.»
    «Fräulein Kückebein ist von den Lübecker Nachrichten . Willst, kannst du dich ihr verweigern?»
    «Ein Spaß, wie?»
    «Warum?»
    «Kückebein? Das stammt doch glatt von mir. Nun, einem Fräulein dieses Namens, Reporterin von der Trave, sollte man allerdings ein Viertelstündchen gönnen.»
    «Gut. Provisorisch habe ich ihr beschieden: um halb fünf.»
    Abermals verlor sich aller Frohsinn aus Katia Manns Zügen. Sie ließ den Zettel sinken. «Es gibt hier Leute, in Düsseldorf, denen wir verpflichtet sind.» – Kein Windhauch regte mehr die Gardine. Die Wandseide changierte straff in Gelb. Die Stille troff geradezu aus dem Lüster. «Ich», Katia Mann kaute auf der Oberlippe, «sie, wie du weißt, waren gute Bekannte … Freunde, tüchtige Menschen, herzlich, er hat auch gelitten, Berufsverbot.»
    Thomas Mann saß kerzengerade auf dem Polster, keine Faser des Gesichts zuckte, eisige Reglosigkeit.
    «Ich hatte nicht daran gedacht. Jetzt ist es peinsam spät. Sie leben noch – Sylt – Spätsommer – du wirst dich erinnern», sprach sie leise, «die Heusers. Sie wohnen in der Nähe. Du hattest sie sogar einmal besucht. Ohne mein Wissen. – Die Heusers, die alten Leute, wir müssen sie einladen. Zur Lesung. Unumgänglich.»
    Sie wartete. Sie erhielt keine Antwort.
    Thomas Mann stand auf. Er faßte an die Brille und ließ die Finger wieder sinken. Er entfernte sich vom Tisch, beugte sich langsam vor und begann, eine Hand wie kraftlos im Rücken, ein Wandern, still zwei Meter weit, einen zurück. – «Verflucht», hörte man es leis’, sonst nie gesagt. «Ich wäre nie gereist.»
    «Ein Gebot … der Höflichkeit», murmelte Katia Mann und drückte die Hände flach gefaltet an die Lippen. «Die Heusers», wagte sie zu sagen, «brächten möglicherweise auch ihre Tochter mit, war ein liebes Mädel.»
    Die

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