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Königsallee: Roman (German Edition)

Königsallee: Roman (German Edition)

Titel: Königsallee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pleschinski
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seinem Cockpit den Kopf, das Profil des allbekannten und gewichtigen Regimegegners erkennen und die Passagiermaschine mit einer Salve aus den Lüften beschießen konnte. Keine unberechtigte Furcht! Was für Zeiten! Mit Müh und Not und unter Aufbietung allen Geschicks sowie einiger guter Beziehungen hatte Eri in Schweden und in England die Reisepapiere aus dem Inferno heraus besorgen können. Telegramme, Anrufe beim Reeder, verschollenes Gepäck … Danach wurden die Zeitläufte auch nicht ruhiger, sorgloser, exakt wie die Jahrzehnte zuvor, allerdings selten unter akuter Lebensgefahr. Aber sollte sie stricken, photographieren, anstatt als seine Hälfte durch die Welt zu kutschieren, die Hausmutter eines besonderen Zirkus zu sein und mit dem hinreißenden Yehudi Menuhin abgelichtet zu werden? Hätte sie als gelegentliche Freizeitmalerin, überdies ziemlich unbegabt dazu, den Garten des Münchner Hauses oder das unbändige Töchterchen Elisabeth in einem Stachelbeerstrauch, die leider so trübsinnige Monika – vielleicht zu reichlich Nachwuchs, aber was herausgeboren war, war da und gehörte gehegt, nicht verhätschelt – abpinseln sollen? Das wären Prachtbilder geworden! Zum Gespött für Kenner oder eine neue Kunstrichtung, Kokoschka, wie mit nassem Schwamm bearbeitet: Geburtstagsfeier in Pacific Palisades , gemalt von Katia Mann. – Die Begegnungen waren samt und sonders, auf alle Fälle meistens, Gewinn. Menuhin hatte allein für sie auf der Geige gespielt. Der Direktor der Zürcher Kunsthalle hatte ihr zu Ehren eine Sonderführung veranstaltet. Letztlich hatte sie fast ahnungsvoll in etwas Spannendes hineingeheiratet. So legte man es sich natürlich gerne zurecht. Auf den kurzen, aber finalen Krach mit der renitenten Köchin, die das Roastbeef fünf Stunden lang im Ofen gegart hatte, hätte natürlich jede Hausfrau gern verzichtet. – Frau Thomas Mann! Sie wußte natürlich selbst am besten, wer sie war. Sie und er wußten es. Herr Katia Mann wäre natürlich unvorstellbar. Warum eigentlich? Ohne sie womöglich kein Buch oder sein Selbstmord mit dreiundvierzig. Hätte er ein Seil an einem Balken anzubringen vermocht? Alles gemeinsam erlebt – wohl das meiste –, durchstanden, erhofft, gefürchtet, errungen und des Nachts oft ohne viele Worte eine Tasse Schokolade gemeinsam in der Küche getrunken. Man geriet auf der Welt an seinen Platz, richtete sich dort ein wie ein Hund, der sich im Körbchen seinen geeigneten Platz erschnüffelt. Binsenweisheit. Sportlich im Nehmen und flinken Reagieren war sie von jeher gewesen, schon als eine der ersten Velozipedistinnen Münchens, ein Blickfang mit schwarzem Lockenhaar, der oft genug die Kette selbst wieder aufspannen mußte. Bis dann der zähe Kavalier, der Werber, der bleiche Rittmeister aus dem Norden gekommen war, junger Erfolgsschriftsteller ohne sichere Zukunft, der sie partout freien wollte. Weshalb? Liebe? Eine herrliche Trophäe aus reichem Hause? So schlitterte man hinein. Das erste Kind, die Eri, und aus einer jungen Ehefrau, die sich durchaus ein anderes Leben hätte vorstellen können oder gar keine Vorstellung gehabt hatte, war eine Mutter, Besorgte, an der Lunge Kränkelnde, die Hausoberin geworden, die Tröstende, die Ordnende, die still Wachsame, der für bis ins letzte ausgefeilte Gedankengänge, philokulturell-polysophische Visionen und systematische Weltgrunderkundungen zu viel Alltägliches durch den Kopf ging; Arzttermine mußten arrangiert, für den Winter mußte Kohle eingekellert werden. – Ein gewisser Vorzug: Rivalinnen hatte sie inmitten des brodelnden Familienragouts nicht zu befürchten gehabt. Die generöse Förderin Agnes Elizabeth Meyer, mehr begierige Adorantinnen waren es wohl nicht gewesen, hatte sich in den USA bemerkenswert offensiv dem Gemahl genähert. Um die Eroberung eines bereits ergrauten Beaus – das war er nun wirklich nicht und, ach, leider nie gewesen – konnte es sich womöglich nicht gehandelt haben, sondern um die Einnahme der Ruhmesfestung. Seine Aura wurde geliebt. Er selbst? Aber beides verschmolz womöglich. In der Küche, bei der zweisamen Nachtschokolade – gelegentlich eine Brühe –, hatte er über die aussichtslose Bedrängerin, eine viel zu selbständige und lebhafte Frau, geächzt: Schon wieder Post von der Meyer. Schreibe du ihr doch! – Da durfte man sich als Gefährtin die Hände reiben, wenn es nicht überflüssig gewesen wäre. Unleugbar war er eine Art Holstentor, das wacker durch die Welt

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