Königsallee: Roman (German Edition)
pays.»
«… lieben den Singsang, aber mir bricht der kalte Schweiß aus.»
«Ich schweige, Monsieur le directeur.»
«Das geziemt sich auch.»
«Und tue es schon.»
«Du Plessis? Sind sich sicher mit Ihrer Herkunft?»
«Soweit dies vorstellbar ist.»
«Meinetwegen. Anstellig, ja, wendig wirken Sie, sofern man untertreiben will.» Clemens Merck fühlte sich wie Zeus und obendrein seltsam glücklich: «Sie dürfen ins Restaurant.»
«Zu viel des Glücks.»
«Ich werd’ ein Auge auf Sie haben.»
«Das sei mir mehr als recht, ich Glücklicher.»
«So, nun ab, mein Sohn. Das ist ja alles ganz unmöglich. Morgen werden Sie mir mein Gulasch bringen.»
«Das ist die Pforte zum Elysium.»
«Ich mag es dampfend. Wie war der Rufname noch? Und dann schweigen Sie.»
«Armand, Monsieur, der Glückliche.»
«Hinaus.»
«Selbstverständlich und doch auch ungern. Ein innerlicher Sachverhalt, eine Verquickung von Willigkeit und Widerstand, die ein Philosoph noch prüfen möchte.»
«Und lernen Sie anständiges Deutsch. Daß der Mensch Sie versteht, der schlichte.»
«Wir können nicht stets von Geistern wie den unsrigen ausgehen. Ich verstehe.»
«Dissonant will ich nicht mehr hören», statuierte Merck geschmeichelt. Es gab noch eine andere Welt als die Liselottes mit der Borgward-Tour.
«Ich habe meine Nase, wenn mich in einem Nachtstündchen nicht der Schlummer übermannt, o süßes Träumen, oft dem grimmen Alltag vorzuziehen, ständig in guten Seiten.»
«Welchen?»
«Deutsche Dichterkunst.»
«Die wird nicht helfen.»
«Werde in Zukunft auch die Speisekarten memorieren. Zum Wohle unserer Clientèle.»
«Ab mit ihm. Schon macht er einen wieder wirr.»
«Der Ton klingt mir vertraut. Votre serviteur, Monsieur le directeur. Und ich wünsche einen weiterhin so gedeihlichen Tag. Morgen den Budapester Lunch für Sie.»
«Punkt elf.»
Der Kopf, auf dem die Pagenkappe wie eine gestrige, aber wiederum auch passende Zutat wirkte, verneigte sich. Rückwärts verließ das Geschöpf den Raum. Beim leisen Öffnen der Tür wich Jolanda Besenfeldt verlegen einen Schritt zurück. Clemens Merck starrte auf seinen Teller mit Saucenrand, versuchte sich zu sammeln und war halbwegs froh, sich nach den Catering-Fortschritten erkundigen zu können.
Ausgerechnet das Chefzimmer war fensterlos, was trotz Täfelung und Waldszenerie eine Fehlplanung bedeutete.
Den Beruf überlebte nicht jeder.
Der wegweisende Stürzli war zwei Wochen vor der Pensionierung verstorben, allerdings verunglückt. Wettersturz im Wallis. Für einen Sohn der Berge so passend, daß es unpassend wirkte.
«Wir sollten ihn einen Führerschein machen lassen.»
«Wie bitte?» fragte er ins Vorzimmer.
«Wir bräuchten einen Kurier und gelegentlichen Chauffeur.»
«Sie sind ja völlig verzückt.»
Fräulein Besenfeldt biß in einen Leibniz-Keks.
Besuch von der Trave
Jedes einheimische Schulkind wußte es. Kurfürst Johann Wilhelm von der Pfalz und Herzog von Jülich und Berg war ein barocker Prachtkerl gewesen. Seinem Walten, Elan und Verschwenden verdankte es das ehedem hutzelige, feuchte Kaff am Rhein, in ein niederrheinisches Florenz, ein Klein-Paris inmitten von Auwäldern verwandelt worden zu sein. Der Wittelsbacher, dem bei seinen legendären Zechgelagen aus Spaß an der Freud ’ mit seinen Untertanen der gemütliche Name Jan Wellem zugewachsen war, hatte in die musische Öde des Orts die erste Oper gebaut – durch ihre Primadonnen und Kastraten sogleich eine von Weltrang; er hatte, gegen Verpfändung überflüssiger Landeszipfel, die Düsseldorfer Gemäldegalerie begründet, die bis zu ihrer grausamen Vererbung nach München mit ihren Prachthimmelfahrten von Rubens auch jeden Durchreisenden in paradiesische Höhen ziehen wollte. Jan Wellem hatte prunkvoll gebaut, bei seinen Ritten durchs Herzogtum auch die Bauern und Fischer nach ihren Sorgen befragt. Der rührige Landesvater, der durch sein Prassen alle Gewerbe so recht in Schwung versetzt hatte, war auch der Erfinder schier immerwährender Maskeraden und Hofbälle im Schloß gewesen; und es mußte sinnvoll gewesen sein, daß er zum Wohle der heimtorkelnden Bürger, schwankenden Sänftenträger, die vordem im Finsteren nicht selten in einen Abwassergraben gerutscht waren, eine der ersten und hellsten Straßenbeleuchtungen Europas hatte installieren lassen. Düsseldorf leuchtete. Jan Wellem war ein Mann der Tat und des Geschmacks gewesen. Friede seiner Asche in Sankt Andreas, nun unter
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