Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Königsallee: Roman (German Edition)

Königsallee: Roman (German Edition)

Titel: Königsallee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pleschinski
Vom Netzwerk:
und sportlichem Trikotstoff in die Wellen … Auf Handtüchern wurde sich nach dem ersten Erfrischen eingeölt. Sonnenschirme mußten tief in den Sand gebohrt werden. Die ganz Kleinen schaufelten Sand in ihre Eimerchen, watschelten zum Nordseesaum und schütteten ihre Last in den Salzschaum. Die Familie Mann hatte in derselben Pension gewohnt wie die vier Heusers, Mira, Werner, Klaus und seine Schwester. Anwar kannte die merkwürdige, die bleibende Geschichte. Zuerst hatte sich nichts Sonderliches in der Sommerwelt ereignet. Im Speiseraum hatten die Gäste einander begrüßt und an ihren Tischen gefrühstückt. Im Troß oder einzeln waren die Sommerfrischler in Bademänteln, mit Proviantkorb, Lektüre in die stärkende Brise marschiert. Klaus war achtzehn gewesen. – Außer Guten Tag, Frau Mann. Guten Morgen hatte er mit der berühmten Familie aus München kein Wort gewechselt. Einmal hatte er die Gartenpforte der Pension für Frau Mann aufgehalten, die recht bepackt und mit ihren jüngsten Kindern im Schlepptau zum Strand aufgebrochen war: Sehr aufmerksam von Ihnen, junger Mann. Genießen Sie das Meer. Nur hinein ins Nass. Ertüchtigung zahlt sich aus .
    Auch der Dichter selbst, der Erzähler der Nation, der Verfasser der Buddenbrooks , des Zauberbergs , von Königliche Hoheit , den viele Gäste aus den Augenwinkeln beobachteten – obwohl sie ihm die gehörige Ruhe und Anonymität gönnen wollten –, hatte keineswegs blasiert gewirkt. Manchmal summte Thomas Mann eine Melodie, wenn er morgens die Treppe zum Frühstückssaal herunterstieg, er köpfte sein Frühstücksei mit Bravour und legte seiner jüngsten Tochter ein Schinkenröllchen vor, das sie mit Appetit verschlang. Auch Klaus hatte bisweilen zu dem Prominenten hinübergeblickt. Thomas Mann schien Bewunderung zu genießen, tupfte aber dann wie leidgeprüft die Lippen ab. – Welche Art von Urlaub verbrachte der Dichter? Eher selten genoß er untätig vom Strandkorb aus die Luft, die See, den Blick in die Ferne. Zumeist las er. Er machte sich Notizen auf flatterndes Papier, zahllose. Mit den Armen hinter dem Rücken wandelte er im leichten Anzug an der Gischt entlang und inhalierte … Nicht zu weit hinaus! Man täuscht sich leicht. Die Strömung ist tückisch . Zuerst hatte Klaus nicht gewußt, wer gerufen hatte. Aus der Brandung heraus hatte er zur hellen Gestalt geblickt. In der Sonne glänzten, funkelten die Brillengläser. – Ich passe auf , war ihm als das einzig Richtige eingefallen. Thomas Mann hatte genickt, ja, wie zum Gruß mit einer Hand fast gewunken.
    «Er hat mich erkannt», sagte Klaus Heuser zu Anwar, der sich einige Vorgedanken zusammenreimen konnte, «bevor ich mich selbst erkannte. Die Insel Sylt. Ich saß oder lag dann gern in der Nähe seines Strandkorbs. Ich weiß nicht, ich fühlte mich behütet. Weiß kaum, wodurch. Er war für mich schon ein alter Mann, über fünfzig. Ich spürte eine scheue Güte. Er bot mir eines seiner Sandwiches an, die in Servietten gewickelt waren. Er fragte mich nach meinen Berufswünschen. Kaufmann, antwortete ich. – Das ist recht so, dem Tüchtigen öffnet sich der Pfad, lobte er. Er erzählte mir, wie er in frühester Zeit die Ostsee erlebt hatte: Feriengefühl. Erfüllt von Tanggeruch und dem Rauschen der sanften Brandung. Begriff damals wohl jemand, fragte er, was für ein Glück das bedeutete? Es gab bei uns einen Seetempel, einen Pavillon, in dessen Innenwand Inschriften, Initialen, Herzen, ja, Gedichtzeilen geritzt waren … Ich weiß nicht mehr genau. Frau Mann kam und erinnerte ihn ans Mittagsessen. Vor ihrer Abreise luden beide mich nach München ein. Ich, als Gast von Thomas und Katia Mann, in der Schule wurde ich zum Wundertier.»
    «Katze», stellte Anwar fest, «Panther.»
    «Nun, ich galt als enorm schön. Hörte ich jedenfalls oft. Apart. Schlank. Vom Schwimmen gestählt. Schwärzere Augen noch als Frau Mann, die sich sehr bemühte, dann aber plötzlich in ihr Zimmer aufbrach. Zweitfrühstück mit Roastbeef, Ausflug zum Tegernsee.»
    «Wildere Augen. Jungenaugen.»
    «Brunnen der Jugend. Abgründe. Verheißung von Kraft und Leben.»
    «Und es geschah.»
    «Ich konnte es nicht ahnen, Anwar. Oder ahnte ich es doch?»
    «Du hast gespürt, Bube.» Woher hatte der Insulaner, so sprachgescheit er sein mochte, diesen rar gewordenen Begriff, in dem jedoch auch Respekt vor Taten oder Kühnheit mitschwang: «Deine große Geschichte.»
    «Meine? – Der Kuß. – Wie weit fort.»
    «Kuß ist immer

Weitere Kostenlose Bücher