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Königsallee: Roman (German Edition)

Königsallee: Roman (German Edition)

Titel: Königsallee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pleschinski
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selbst, und sie waren daran interessiert, ob wieder etwas auf Alarm deutete, in welchem Kleid der neue Revuestar Caterina Valente eingetroffen war oder ob der neue Liftboy, ein Armand aus dem Französischen und wahrer Adonis, sich ein noch hüftbetonteres Uniformjäckchen beschafft hatte. Ein kecker Neuzugang, Sohn eines bankrotten Champagnerfabrikanten, der mitunter sehr lange auf den Zimmern von Damen blieb, deren Garderobe er, wie er erklärt hatte, gleich in die Schränke hängen sollte . Wer’s glaubte. Armand, dieses Zuckerstück und charmant parlierende Äffchen, würde hier noch eine gute Partie machen und mit einer sehnsüchtigen Industriellenwitwe gen Paris oder Lissabon entschwinden. Gott mit ihm, dem feingeschliffenen Juwel. Falls jemand seinen Weg machte, dann ohne Zweifel dieser Armand.
    Nach dem gestrigen Bombenschreck nahm Fräulein Anita jetzt ruhige Betriebsamkeit wahr. Die Teppiche schluckten die Schritte vereinzelter Gäste. Aus dem Frühstückssaal trat eine Familie und wandte sich zur Treppe. Leer harrten die Sessel am Kamin. Die Herren Siemer und Friedemann steckten am Empfang über Buchungen die Köpfe zusammen. Auffällig viele Gladiolensträuße schmückten das Entrée. Der Portier grüßte die Putzkraft vor dem Frisiersalon nicht. Deutlich angespannt spähte Elkers auf die Straße. Heute vormittag wurde der Nobelpreisträger erwartet, für den die Türen der Präsidentensuite ausgewechselt worden waren. Es herrschte eine beinahe forcierte Stille vor dem Sturm. Der Service verteilte Zeitungen auf den Marmortischchen, der Kuchenbüffetwagen stand momentan ohne Bedienung neben dem Eingang zum Teesalon. Zwei neue Gäste gaben ihre Schlüssel ab. Nun trugen die beiden Männer nicht mehr die Wollmäntel, mit denen sie gestern eingetroffen waren. Aber noch die Schals und weiße Gamaschen. Via Fräulein Helga im Empfangsbüro und über den Hauselektriker war Fräulein Anita zu Ohren gekommen, daß die zwei Herren ein Doppelzimmer gewünscht, schließlich regelrecht gefordert hatten. Der Sitte und einem nur vielleicht ungeschriebenen Gesetz zufolge hatte dem nicht entsprochen werden können. Im Krieg hatte man einquartierte Offiziere sogar in einem Bett schlafen lassen; nun aber durften nur noch Frauen gemeinsam nächtigen – was natürlich ein bißchen widersinnig wirkte, wenn konsequent auf Anstand geachtet werden sollte. Die Herren, vor allem der schwärzliche, hatten gedroht, wieder abzureisen, sie wollten keine zwei Zimmer bezahlen. Direktor Merck war verbindlich hinzugetreten, das Haus wollte natürlich jedem gerecht werden. In der Dachetage hatten die beiden Gäste aus Meerbusch oder aus China – das hatte der Elektriker nicht exakt gewußt – zwei Einzelzimmer mit Verbindungstür bekommen. Die peinliche Situation war bereinigt gewesen. Der Service hatte frisches Obst in den fünften Stock gebracht.
    Fräulein Anita sah den Gebräunten und den Mohrigen dem Ausgang zustreben. Der reizvolle Inder, als der er am ehesten eingeordnet werden konnte, wischte sich Fusseln vom Ärmel und hakte sich beim sportlich wirkenden Hellen unter. Der Elektriker, der mit einer der Friseusen liiert war, mußte über das Gespann mehr in Erfahrung bringen. Ein Umstand war beinahe unheimlich. Die neue Lifthilfe Armand war zwar um etliches jünger als der Weiße, teilte aber mit dem Gast aufs Frappierendste die Gesichtszüge, die tiefschwarzen Augen, ja, die geschmeidige Gestik, gerade so, als wäre Armand Jahre später nach dem Vorbild des Älteren erschaffen worden. Die Ähnlichkeit konnte die Sinne verwirren. Brüder, die sich nicht kannten?
    Armand, den der Elektriker wegen dessen vermeintlich französischer Herkunft für einen Hochstapler hielt, hatte dienstfrei. Der kleine Max öffnete das Fahrstuhlgitter. Ein Herr mit Hund trat einen Spaziergang an. Der Zentralleuchter verströmte Honiglicht. Die Fliesen zwischen Läufern glänzten. Die gespannte Ruhe nahm eher noch zu, als Direktor Merck am Treppenabsatz vorbei zum Wirtschaftstrakt eilte. Das bevorstehende Ereignis ließ auch die Tabakverkäuferin einen Blick in die Halle werfen. Fräulein Gerda hielt eine aufgerissene Zigarettenstange in der Hand. Zehn Uhr. Elkers öffnete zwei gepäcklosen Herren die Glastür. «Ich muß um zwölf ins Gaswerk. Haben wir’s dann hinter uns?»
    «Aus Köln ist er wie geplant weg. Sie treffen mit dem Zehnuhrzwölfer ein.»
    «Warum kein Empfang am Bahnhof?»
    «In dem Gedränge?»
    «Der Loup, der Assistent vom

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