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Königsallee: Roman (German Edition)

Königsallee: Roman (German Edition)

Titel: Königsallee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pleschinski
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einladender, als bei den lieben lauten Eltern im Meerbuscher Häuschen abermals Bratwurst zu verzehren. «War einst der Stadtwall», erklärte Klaus. «Napoleon, du weißt», und er posierte kurz steif mit angewinkeltem Arm und der Hand unter der Mantelknopfleiste, Anwar begriff, «hat die Wälle schleifen lassen. Als der König von Preußen fünfzig Jahre später hier entlangritt, wurde er mit Pferdeäpfeln beworfen … Äpfel hinten vom Pferd», «Bin nicht dumm.» «Zur Wiedergutmachung dieser Beleidigung taufte der Rat der Stadt die Neue Allee in Königsallee um. Eigentlich duckmäuserisch, feige, aber klingt gut. – Sonntags gingen Mira und Werner mit mir manchmal Eis essen ins Café Bittner. Drüben», und er wies hinüber zum Zeitungshaus, «las ich 1935 im Schaukasten auch die Annonce von Schlieper-Import, und so etwas behält man auswendig: Für Übersee. Für gebildeten, charakterfesten Kaufmann, 24–28 Jahre, tüchtige selbständige Kraft, gesund und von guter Erscheinung, bietet sich zukunftsreiche Stellung. Bewerbung mit Lebenslauf und Lichtbild an Hauptgeschäftsstelle . Und ich», Klaus faßte sich an die Stirn, als könne er frühen Mut nicht mehr nachvollziehen, «heuerte in Bremen an. Damit hatte ich die Überfahrt nach Sumatra gratis. Eine lange heiße Reise durchs Mittelmeer, den Golf von Aden, an Indien vorbei. Es war alles so neu, daß ich ganz ruhig war. Du weißt, was ich im Hafen von Belawan als erstes tat? Ich bestellte mir nach dem Wörterbuch eine Limonade. Casi satoe ajer-tjeroek.»
    Anwar drückte ihm die Hand.
    «Da hast du bei den Bouwmans noch die Terrasse gefegt.»
    «Mevrouw war korrekt, aber zu verliebt in mir.»
    «Tja, und dann begann Asien. Dreimal höheres Gehalt als hier. Allerdings auch immer das Risiko, bei groben Fehlern nach Hause geschickt zu werden. Die Wärme, das Meer, die Gärten und Wälder, der sanfte Trott umgarnten mich. Die paar Kontorstunden erschöpften nicht. Mein Heimweh verwehte. Die Monate verschwammen unmerklich. Kein Vergleich mit Solingen, wo man bei den Gebrüdern Weyersberg unter Schreibtischlampen ackern mußte. Solchen Stumpfsinn für ein ganzes Leben ertrug ich nicht. Um die Zwischenhändler in Payung und Fort de Kock besuchen zu können, machte ich den Führerschein. Im Cabriolet unter Palmen. Währenddessen marschierte hier», und Klaus sah die Kö hinunter, «die SA. Polo gefiel mir, die schönen Rosse, die eleganten Reiter und wie sie mit dem langen Schläger den Ball ins goal schossen. Kein Problem, bis auf meine Nerven. Immerhin lernte ich reiten. Nun, als die Emden einlief, mietete ich mich im Centraal ein.»
    Der Javaner stellte kurz den Koffer ab.
    «Bei den Damen war ich schon vorher als Tänzer begehrt. Ach, Mijnheer Heuser, nog een lekker rondje foxtrot? Weißt du noch, daß du angebrochene Champagnerflaschen für mich beiseite geschafft hast?»
    Falls ein erwachsener dunkelhäutiger Mensch erröten konnte, so geschah es nun an der Kö.
    «Dein Köter macht mich wahnsinnig.» Eine Frau entriß ihre Handtasche einem Collie, der sich daran festzubeißen drohte. «Aus, Perceval», befahl ihr Begleiter.
    Das Apollo-Kino bewarb seine Vorstellungen groß und bunt. Am beschaulichsten wirkten die Plakate für Rosenresli , auf denen ein blondes Mädel einer alten Dame einen roten Strauß überreichte. Christine Kaufmann in geschwungenen Lettern meinte vielleicht den neuen Kinderstar. Anwars Blicke hafteten auf der Ankündigung von Flammen über Fernost ; das ging ihn eher an, und wegen Gregory Peck strömte auch Asien ins Kino. Klaus Heuser trat näher an die Schaukästen und beugte sich zu Szenenfotos eines Films vor. Eine junge Reiterin in langem Kleid im Damensattel … ein Mann in Uniform … eine Ballszene, in der beide miteinander tanzten. Die Schöne trug ein Diadem, Höflinge umstanden das strahlende Paar.
    «Läuft die zweiunddreißigste Woche», las Klaus, «Ruth Leuwerik, Dieter Borsche. Kenne ich nicht … Eigentlich erstaunlich, daß sie das nicht früher verfilmt haben. Da könnten wir reingehen.»
    « Königliche Hoheit », entzifferte Anwar den Filmtitel. «Nach dem Roman von Thomas Mann», sagte er.
    «Ja. Er», nickte Klaus Heuser. Er richtete sich auf. Sein Lächeln wies weit, sehr weit zurück. Sylt. Der Sommer 1927. Kaum Regentage. Die Strandkörbe meistens schon am frühen Morgen reserviert und belegt. Nur noch die älteren Herrschaften trugen lange Badekostüme. Die Jugend war schon befreit und stürmte in kurzen Hosen

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