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Königsallee: Roman (German Edition)

Königsallee: Roman (German Edition)

Titel: Königsallee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pleschinski
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bleiben oder kehrtmachen können. Der Schock löste ein gefährliches inneres Knistern aus. Welche Anmaßung des hellgewandeten Dichters, zu erscheinen, den Magistrat einer Großstadt aufmarschieren zu lassen, um dann husch, husch und stumm aus Düsseldorf wieder zu entfleuchen! Der Snob wollte sich eine Rache an vermeintlich stumpfsinnigen deutschen Bürokraten gönnen, einfach seine Macht als Weltberühmtheit vorführen. Widerwärtig. Er sprach nicht, keinen Laut. War denn irgend jemand auf seine Dichtung, die Druckerschwärze auf Papier angewiesen? Niemand. Geschickt, wie er über Jahrzehnte Erfundenes um lebensschwache Luxusgestalten verscherbelt hatte, über die fast nie zu lesen war, wovon sie ihr Dasein bestritten, welcher Krankenkasse sie angehörten, Buchfiguren, die nie einen Autoreifen wechselten. Parfum stäubte er über die Lesenden, die über seltene Begriffe wie das Raisonable, Civilisation mit delikatem c, Irden-Praktisches entzückt sein sollten, eine Erzählbegabung, die sich mit heimtückisch gesuchten und gefundenen Namen à la Madame Chauchat, Pribislav Hippe oder Adrian Leverkühn in die Gedächtnisse bohrte. Was verkündete der Mann, der Geistschirm der Nation, denn überhaupt? Das Verlöschen seiner eigenen socialen Klasse, der nachbebenden Senatsherrlichkeit mit Mühlsteinkrause zum Rathstalar und Operngenuß im Stadttheater, das Ende der Kultureinbettung und schnell wunden Herzensvornehmheit? Die Zeiten schritten auch ohne Träumen unter der Leselampe, Käsegebäck zum Tee und den Hinweis aufs Mitleid als tiefste Herzensregung voran. Stürmten sogar zügiger und forscher voran, wenn man nicht mit blinkenden Augengläsern am Waldrain promenierte, um über die Zeit nachzusinnen, die ein Brunnen war, eine Grube, in die alles Treiben und Tosen am Ende lautlos verschwand, ohne dem Leben ein Ach und Seufzen hinterdrein zu schicken und zwischendurch die zerbrechliche Vollkommenheit, die Eleganz und auch den faszinierenden Schlick der Schöpfung zu preisen, außen schlank und blank der Mensch, innen nur Gekröse und Gestank, dennoch mit dem Willen, betörend und überzeugend während des flüchtigen Erdentags zu sein. Da stand er stumm. Mit dem Hut in der Hand. Fiel dem Erzähler schöner Geschichten vom nervösen Aufbegehren des Homo sapiens gegen die Ausdruckslosigkeit und das Nichts kein Gruß, kein weiterer Passus ein, um die neue Welt in eine Geborgenheit zu führen, ins Gelassene zu locken, die Botschaft Streift wachsam durch die Zeit zu bekräftigen?
    Die Pleite von Düsseldorf.
    Richard Giesewind, der Versorgungsreferent, wollte beinahe gewaltsam auf die Celebrität zugehen und sie zur Rechenschaft ziehen, weshalb außer einem Hüsteln kein Ton zu vernehmen war. Ein Affront, der die Stadt lächerlich machte, aber dem Künstler zu weiterer Legendenbildung verhelfen würde. Die Schweigereise. Das Verstummen am Rhein. Rückerstattung des Eintrittsgeldes und stilles Signieren im Schumannsaal.
    Frau Zollicz fragte sich, wie sie dem Dichter helfen könnte.
    «Die Verkühlung mag sich legen.»
    Schlagartig war Erika Mann die Hoffnungsträgerin. Die Anwesenden hingen an ihren Lippen: «Wir haben selbstverständlich bereits in Köln einen Spezialisten konsultiert. Durch einen dummen Zufall oder Unvorsicht waren einige Fenster im Hörsal – völlig überfüllt – geöffnet. Was Zugluft anrichtet, merkt man erst später.»
    Alle stimmten sichtlich zu.
    Die Stimme der Tochter klang überraschend süddeutsch. Etwas dunkel, weich die Vokale, ihr R rollte bayerisch. Daß die gewiß um die Fünfzigjährige eine hörbar geprägte Münchnerin war, wurde jetzt erst vermerkt.
    Thomas Mann schien etwas äußern zu wollen. Nun doch! Er tupfte mit einem Schnupftuch über den Mund. Dann stützte er sich auf seinen Gehstock. Der HNO-Arzt mochte seinen Rachen gepinselt haben. Die beiden Frauen ihm zur Seite spähten indes entweder nach Sitzgelegenheiten oder wollten so schnell wie möglich aus einzelnen Kamerablitzen und der zugesperrten Halle fort auf die Zimmer.
    Doch die Stühle waren auf dem Wege. Die Pagen Direktor Mercks plazierten die Sitzgelegenheiten hinter den Eingetroffenen. Die ließen sich nach winzigem Innehalten auf die gedrechselten Schreinerarbeiten mit steiler Rückenlehne sinken. Im nächsten Augenblick saßen die Eheleute aufrecht, nur die Tochter senkte den straff frisierten Kopf, wobei sie einen Blick auf das Zifferblatt ihrer Uhr warf. Ein voluminöses Modell, fast ein

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