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Königsallee: Roman (German Edition)

Königsallee: Roman (German Edition)

Titel: Königsallee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pleschinski
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einen Freund – schmerzlich, verzichtvoll alles –, Julio Kocherthaler mit Namen, Halbspanier, den wir Polo nannten. Mein Vater wünschte sich zu jener Zeit Photographien von ihm. Sie müssen sich den Ruhm womöglich teilen, aus einem Wüstenbrunnen gerettet, von Potiphars Weib angeschmachtet, zu Pharaos Ratgeber aufgestiegen und zum Liebling des Herrn erkoren worden zu sein.»
    «Je nun, heute morgen war ich noch nicht einmal Felix Krull. Und Sie sind der Beißer.»
    «Zanken wir uns nicht», Golo Mann schluckte diese Richtigstellung, «ich brauche Sie.» Es hatte den Anschein, als wollten ein paar Gäste, deren Gesprächsstoff versiegte, an den Tisch heranrutschen, doch man tummelte sich nicht im Theater. «Es mißglückt mir jetzt vielleicht wieder alles», bekannte Golo Mann und wirkte abermals ganz bei sich. Er ließ den Kopf hängen und verschränkte die Finger, die ein schöner Ring schmückte. Dann blitzten die gescheiten Augen: «Kurz und aufrichtig. Die Memme verdunkelte mir manches Jahr. Sie ließ meine Haare schief anwachsen, ließ mich bei Erkältungen vor Schleim rasseln, ich rupfte ein Büschel Gänseblümchen für meine Mutter aus, die sie unfroh entgegennahm. Sie wollte mich eigentlich von sich fort haben. Ich beobachtete meinen Vater, der sich abwandte und den Hund streichelte. Ich beobachtete alle. Ich wollte ihre Tücken kennen und für ihre Angriffe parat sein. Merkwürdig, ich stolperte oft, wenn ich die Treppe hinunterstieg. Eri kümmerte sich kaum um mich, den Pfropf, und flitzte an mir vorbei. Dem Eissi brachte ich gern ein Stück Kuchen aus der Küche, denn er war ein eleganter Bruder und strich mir manchmal über den Kopf. Die Memme ließ mich in der Schule zittern und stottern. Ich wurde wie unsere übrige Brut auch, die sich von Haus aus schlecht in einen mittelmäßigen Trott einordnen konnte, auf das Internat geschickt. Das Schloß am See. Klaus war dort wegen seines Liebreizes und gewisser früh erkennbarer Neigungen nicht zugelassen worden und mußte auf der Odenwaldschule zurechtkommen.»
    «Hochseriös. Dorthin wäre ich auch fast geschickt worden. Ich hätte mich mit Ihrem Bruder anfreunden können», sann Heuser nach.
    «Das glaube ich wohl. Die Memme schlummerte eine Weile. In Salem lebte ich auf. Die gewisse Zucht und Ordnung taten mir wohl, mit den übrigen Jungen lernte ich fleißig, wir wanderten querfeldein, und auch mancher Ringkampf ertüchtigte. Wir waren eine spartanische Republik, in der Verläßlichkeit waltete. Und man durfte einige Marotten bewahren, mit zwei Kissen unter dem Kopf schlafen und natürlich laut Rilkes Cornet deklamieren: Reiten, reiten, reiten durch den Tag, durch die Nacht, durch den Tag, reiten . Ich gewann Freunde, auch von daheim Fortgeschickte, mit denen ich debattierend durch die Flure wandelte. Wir durften uns allerdings auch im Spazieren nicht einmal mit den Schultern berühren, und jede Kleberei, wie der Direktor es bezeichnete, war selbstredend untersagt. Dabei», und Golo Mann wischte sich kurz über die Nase, die das markanteste väterliche Erbteil war, «war die Menschenfreundlichkeit von Dr. Hahn, einem famosen Pädagogen, wohl vornehmlich auch eine Jungenfreundlichkeit. Hahn muß schlimm gelitten haben.»
    Heuser wunderte sich über dieses spezielle Mitgefühl des ausgewachsenen, ja schon in die zweite Lebenshälfte geratenen Dichtersohns. Aber die weiten Augen Anwars, der vielleicht träumte, vielleicht Wörter und ihre Zusammenhänge aufschnappte, schienen den Gast eine großherzige Offenheit wagen zu lassen. «Ihr Geschäftsfreund», fragte er denn auch zur Seite …
    «Import, Export», murmelte Anwar.
    «… möge mir jetzt meine begründete Ausführlichkeit nicht verübeln.»
    «Tut er wohl nicht, Mijnheer Sumayputra, den ich hiermit unbedingt vorstellen möchte …»
    «Höchste Zeit, fürwahr. Sehr angenehm. Mann. Die Anspannung, ich bitte um allergrößte Nachsicht.»
    «… ist zäh und viel wissenshungriger als bisweilen vermutbar. Trinken wir noch was.» Heuser schenkte mit dem Schwung eines Fatalisten nach. Man stieß an, Mann leckte flugs über die Lippe. «Eigentlich wollten wir nur die Eltern besuchen», verflüchtigte sich eine Heusersche Mitteilung, «unter Umständen auch Trifels besichtigen, aber der Pfad ist steil.»
    «Ich blühte auf. Wir spielten Theater. Über die Dame in Trauer schwang ich mich hinaus. Im Zerbrochnen Krug wollten mich alle als Dorfrichter Adam, gefräßig, schlau. Doch welch Triumph erst mit

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