Königsallee
rangierte Reuter seinen Micra bereits aus der Garage.
»Jan?«
»Am Apparat. Wo ist unser Kunde?«
»Friedrichstraße, Ecke Fürstenwall. Jetzt biegt er ab. Fürstenwall in östliche Richtung.«
»Danke.«
Vor ihm eine Ampel, die auf Rot sprang. Reuter presste die Faust auf die Hupe und bog mit quietschenden Reifen ab. Auch er raste jetzt den Fürstenwall entlang. Sascha Maisel hatte keine zwei Minuten Vorsprung.
Reuter versuchte, Scholz zu erreichen – besetzt.
Leute kamen aus einer Kneipe, wollten die Straße überqueren. Reuter hupte und geriet beim Ausweichen ins Schlingern. Tempo achtzig. Die nächste Ampel schaffte er bei Gelb. Er rief den MEK-Kollegen zurück.
»Kilian.«
»Wo seid ihr?«
»Fürstenplatz. Die Zielperson biegt halb links in die Helmholtzstraße.«
Der Vorsprung war auf eine Minute geschrumpft. Die Straße führte geradewegs in die Bahnhofsgegend. Reuter nahm sich vor, Sascha festzunehmen, sobald der Kerl einen Zug besteigen wollte.
Er drückte das Handy ans Ohr und steuerte mit einer Hand.
Kilian sagte: »Wir stehen jetzt vor der Bahnunterführung an der Ampel.«
»Passt auf, dass er euch nicht entdeckt.«
»Im Dunkeln ist ein Auto wie das andere. Offenbar will die Zielperson in die Ellerstraße einbiegen. Zur Oberbilker Seite des Hauptbahnhofs. Wo bist du, Kollege?«
»Hinter euch, gleich bin ich da.«
Vermutlich steuerte Sascha das Parkhaus an der Zufahrt zum Bahnhofsgebäude an. Reuter bretterte über die Helmholtzstraße. »Ich glaube, ich kann euch sehen.«
»Er fährt nach rechts. Vulkanstraße. Weißt du was, Reuter? Der Kerl will nicht türmen, sondern zum Puff hinter dem Bahndamm!«
Oder auch nicht, dachte Reuter und fuhr langsamer.
Kilians Stimme im Handy: »Hoppla, Puff war Falschmeldung. Zielperson betritt Wohnhaus. Wir warten im Einsatzfahrzeug, okay?«
Gespräch beendet.
Reuter hielt neben dem Wagen des Mobilen Einsatzkommandos. Dreißig Meter vor ihnen stand Maisels Geländefahrzeug mit dickem Ersatzreifen am Heck in zweiter Reihe vor einem Haus, das Reuter kannte. In der Nacht zum Samstag hatte er Henrike hier abgesetzt.
Juli wohnte hier, Robbys Freundin.
Reuter stieg aus und klopfte den Kollegen aufs Dach. Eine Scheibe glitt herunter. Kilian war der Beifahrer, ein schmächtiger Bursche mit spitzer Nase, langen Koteletten und Augen, die tief in ihren Höhlen lagen.
»Was schlägst du vor?«, fragte der Kollege.
»Die Freundin des Mordopfers wohnt hier mit ihrem Kind. Wir überprüfen Sascha Maisel, sobald er die Wohnung verlässt.«
»Warten wir hier?«
»Nein, oben vor der Tür. Auf diese Weise ist die Überraschung für ihn am größten und wir wissen mit Sicherheit, dass er bei Juli Winters war.«
Kilian stieg aus und folgte Reuter zum Haus. »Ich dachte, der ermordete Informant hätte ein Verhältnis mit dem zweiten Mordopfer gehabt, dieser Richtertochter.«
»Das auch, nebenher.«
»Die Andermatt soll ja eine scharfe Schnalle gewesen sein.«
Reuter verkniff sich die Antwort.
Er drückte die Eingangstür auf. Kein Licht. Ein leises Knarren der Stufen ließ sich nicht vermeiden. Mondschein fiel durch die Fenster ins Treppenhaus. Ein Zug donnerte draußen vorbei, schier endlos. Auf dem obersten Absatz blieb Reuter stehen.
Seine Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit. Er konnte den handgeschriebenen Zettel neben der Klingel lesen. Eine Mädchenhandschrift mit langen, nach links geneigten Bögen: Juli Winters.
Hinter der Tür Stimmen. Babygeschrei. Schritte, hin und her. Ein hässliches Geräusch drang aus Kilians Funkgerät.
Hundegebell antwortete von drinnen – der Pitbull.
Hastig drehte der Kollege den Regler, um den Empfänger stumm zu stellen. Reuter griff unter sein Sakko und zog die Pistole aus dem Schulterholster.
Juli rief nach Gonzo. Das Baby plärrte unaufhörlich.
Schritte, die näher kamen.
66.
Scholz hatte gerade ein zweites Bier geöffnet und war alles andere als müde, als noch einmal ein Telefon klingelte, dieses Mal das Handy.
Er stellte den Fernsehton stumm und ging ran. »Ja.«
»Sven Mielke. Stör ich?«
Scholz erinnerte sich: der Exfreund der Andermatt-Tochter, der als Praktikant beim Blitz gejobbt hatte und Henrike für ein Inzestopfer hielt.
»Sind Sie gut angekommen?«, erkundigte sich Scholz.
»Nein, ich fahre doch erst morgen. Irgendwie ein Scheißgefühl, diese Stadt zu verlassen. Nur die Matratze liegt noch in der Wohnung, aber ich kann nicht schlafen, weil mir Henni nicht aus dem Kopf geht.«
»Kann
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