Königsallee
Handschellen anlegen.«
Reuter ergänzte: »Mach es uns nicht unnötig schwer, ich sag’s im Guten.«
Sekundenlang regte sich der Dealer nicht. Dann lief er plötzlich los, rempelte die beiden Beamten beiseite und rannte die Treppe hinunter. Etwas klirrte in den Tüten, als sie gegen die Wand schlugen.
Reuter und Kilian folgten dem Getrappel der Schritte. Sie hörten die Haustür, Tumult auf der Straße, einen Aufschrei.
Reuter trat als Erster ins Freie. Sascha Maisel lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Gehsteig. Ein Uniformierter kniete auf seinen Beinen, ein anderer bog ihm die Arme auf den Rücken. Der Dritte legte dem Festgenommenen Handschellen an.
»Aua! Sie tun mir weh!«
Zwei Passanten machten einen großen Bogen und glotzten, während sie weitergingen.
Maisel rief: »Polizeiwillkür!«
Reuter ergriff Saschas Kragen und hob ihn an. »Warum hast du nicht auf mich gehört?«
Die Tüten lagen im Straßendreck. Reuter steckte seinen Kugelschreiber durch einen der Henkel und hob den ersten Beutel auf. Durch die klaffende Öffnung erspähte er lose Ampullen, Kartons und kleinere Säckchen mit unklarem Inhalt – Arbeit für das Labor des Landeskriminalamts und für die Fingerabdruckspezialisten.
Die Uniformierten schoben den Festgenommenen auf die Rückbank ihres grün-silbernen Passat. Sanfter Druck beim Einsteigen. Der kräftigste Kollege rutschte neben Maisel auf den Sitz. Reuter bedankte sich für die Unterstützung. Der Streifenwagen fuhr los.
Mithilfe seines Kugelschreibers trug Reuter beide Aldi-Tüten zum Auto des MEK-Teams und deponierte sie im Kofferraum. Als er zur Hausfassade hochsah, verschwand gerade ein Gesicht von einem der oberen Fenster. Juli mit ihrem Lockenschopf.
Reuter sprach Kilian an: »Kommst du noch einmal mit?«
Der Kollege nickte. Sie stiegen die Treppe hoch und klingelten bei Juli. Robbys Freundin ließ sich Zeit.
Als sie endlich öffnete, kläffte ihr Pitbull hinter der Tür zum Bad. Das Baby war still und schläfrig. Juli hielt es vor ihrer Brust, fast demonstrativ, als verleihe das Bündel der jungen Mutter Unantastbarkeit.
Im Flur hing ein Poster, das Reuter beim ersten Besuch noch nicht bemerkt hatte: Jesus Christus mit langem Haar. Trotz des Vollbarts wirkte das Gesicht mädchenhaft. Die eine Hand zum Segen erhoben, die andere hielt eine blaue Kugel, auf der ein Kreuz thronte.
Juli bemerkte Reuters Blick. »Das hat mir Robby vermacht.«
»Dieses Poster plus zwei Tüten voller Drogen.«
»Was?«
»Tun Sie nicht so unschuldig. Wir wissen Bescheid. Robby war mit Ihrer gemeinsamen Freundin Lena in Amsterdam zum Großeinkauf. Nachdem er tot war, holte Sascha die Drogen aus dem Auto und räumte Robbys Wohnung leer. Dann brachte er den ganzen Stoff bei Ihnen unter, weil ihm die Ware zu heiß war. Los, Frau Winters, zeigen Sie uns, wo die Tüten versteckt waren.«
Juli ging voraus in die Küche und zeigte auf Kartons mit Einwegwindeln, die unter dem Babybett gestapelt waren.
»Damit haben Sie sich strafbar gemacht, Frau Winters.«
»Ich wusste doch nicht, was drin war.«
»Nicht gefragt? Auch nicht nachgesehen? Nichts angefasst?«
Juli schüttelte ihre Locken. »Sie müssen mir glauben!«
»Wann kam Sascha mit den Sachen an?«
»Am Freitag, spät in der Nacht.«
»Genauer, bitte.«
»Auf jeden Fall nach Mitternacht. Ich hatte schon geschlafen. Als Lena kam, war Sascha schon wieder weg.«
»Und ich soll Ihnen abnehmen, dass Sie nicht wussten, was er Ihnen da unterjubelte?«
Juli schaukelte schweigend das Baby.
»Denken Sie an Ihren Sohn. Schlimm genug, dass er seinen Vater verloren hat. Sie können sich ausmalen, was passiert, wenn Sie uns anlügen und dafür ins Gefängnis müssen. Pflegefamilien, Heime. Ersparen Sie ihm das, Frau Winters. Dass Sie nicht ehrlich zu uns waren, als wir uns am Samstag im Präsidium unterhielten, will ich mal vergessen. Aber seitdem ist einiges geschehen. Ihre Freundin Lena ist ebenfalls ermordet worden, wie Sie wissen. Sie müssen jetzt ehrlich sein und uns bei der Aufklärung helfen.«
Die junge Mutter brach in Tränen aus. »Ich gebe Justin nicht weg, niemals!«
Reuter war nicht wohl dabei, ihr so zuzusetzen. Aber er wusste sich nicht anders zu helfen. »Wer hat Robby ermordet?«, fragte er.
»Weiß ich nicht.«
»Hat der Mord mit Drogen oder dem Kunstraub zu tun?«
»Kunstraub?«
»Was wissen Sie darüber?«
»Robby und Sascha wussten, wer das Bild geklaut hat. Robby hat es diesem anderen Polizisten
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