Königsallee
Hütte.«
»Hast du gesehen, wie der Kollege sich umgebracht hat?«
Reuter nickte.
Er wunderte sich, wie ruhig er dabei blieb. Wenn der Erkennungsdienst die zweite Schussverletzung feststellen sollte, würde ihm schon eine Erklärung einfallen.
Als er die Pizza vertilgt hatte, wischte er seine Fettfinger ab und setzte sich an einen PC. Er tippte einen Vermerk über die Karriere des Kriminaloberkommissars Michael Koch vom Erpresser der Kunstsammlung NRW zum Mörder Robby Marthaus, wie sie sich nach seiner Meinung darstellte.
Zwei Ukrainer, die insgeheim für Grusew arbeiteten, hatten in Böhrs Wachschutzfirma angeheuert und das millionenschwere Gemälde geraubt. Sascha Maisel war dahintergekommen und hatte es seinem Chef am Telefon gemeldet. Koch war beim Abhören des Mitschnitts darauf gestoßen, hatte sein Wissen für sich behalten und von seinem Spitzel Einstein mehr erfahren. Nach ihrer Festnahme schwiegen die Räuber über den Verbleib des Bildes – entweder hatten sie nicht mitbekommen, dass Koch es gemopst hatte, oder sie zitterten vor Grusew, der ihnen das Versagen übel nehmen würde.
Als nach dem Rückkauf der Name des gefeierten Vermittlers in der Zeitung stand, wusste Grusew, an wem er sich zu rächen hatte. Er schickte einen Komplizen, der den Anwalt Edgar Reuter überfiel und aus ihm die Information herausprügelte, dass Koch die Fäden gezogen hatte. Besagter Komplize überwachte Kochs Haus – im schwarzen Lexus, der einer Stiftung für deutsch-russischen Kulturaustausch gehörte.
Als Robby Marthau eine Aufstockung seines Helferlohns forderte und drohte, Koch anzuschwärzen, beorderte ihn der Kripomann in den Hafen, wo er ihn erschoss.
Unklar blieb, ob Koch auch die Richtertochter mit Liquid Ecstasy vergiftet hatte. Weder die Droge noch die Vergewaltigung entsprachen Kochs Handschrift.
Für seinen zweiten Bericht benötigte Reuter mehr Zeit und Überlegung. Der Hergang, der zu Kochs Tod führte – hier durfte sich Reuter keinen Fehler erlauben. Er überlegte, sich auf einen posttraumatischen Blackout herauszureden und alles Weitere der Kriminaltechnik zu überlassen.
Das Telefon auf Reuters Tisch klingelte und er hob ab. Marietta, die im Krankenhaus war.
»Wie geht es Norbert?«, fragte Reuter.
»Stell dir vor, er ist verschwunden. Einfach abgehauen. Dabei besteht Verdacht auf Lungenödem und Kohlenmonoxidvergiftung. Scheiße, daran kann man sterben! Bei euch ist er nicht?«
In diesem Moment trat Scholz in den Raum. Sein Gesicht war unnormal gerötet. Als er Reuter entdeckte, winkte er ihm mit der bandagierten Linken zu.
Reuter grüßte mit seiner Rechten zurück, den eigenen Verband präsentierend.
»Mannomann!« Gut gelaunt trat Scholz näher. Seine Frisur war ebenfalls verhunzt. Krauses, dunkles Zeug.
»Hör zu, du solltest im Bett liegen«, antwortete Reuter.
»Und du?«
»Unsinn.«
»Na, eben. Wollen wir Henrike Andermatts Mörder finden oder nicht?«
Reuter hielt ihm den Telefonhörer hin. »Erklär das mal deiner Kollegin Marietta.«
Scholz nahm den Hörer, sah das Plastikteil an und drückte es auf die Gabel. »Wir müssen los.«
77.
Die A59 nach Duisburg war wegen irgendeines Biotops nie zu Ende gebaut worden und endete kurz hinter dem Flughafen. Nach wie vor quälte sich der Verkehr über die alte Landstraße durch Kaiserswerth, den ältesten Teil Düsseldorfs.
Auf dem Beifahrersitz hockte Pascal Frontzeck. Scholz hatte Reuter alles erzählt, was er über den Werbegrafiker und Homepagebastler wusste. Noch so ein armer Tropf, den Henrike verhext hat, dachte Reuter.
Vor ihnen schlich ein Kleinwagen nordwärts. Der beständige Gegenverkehr machte jedes Überholmanöver unmöglich.
Frontzeck war nicht gerade gesprächig – vielleicht hatte ihn die Art eingeschüchtert, mit der Scholz ihn behandelte. Der Kollege hatte den Grafiker regelrecht zur Mitfahrt genötigt.
»Und Sie wissen nicht, zu wem Sie Henrike beziehungsweise Lena vorgestern Nachmittag gefahren haben?«, fragte Reuter.
»Nein.«
»Hat sie nichts dazu gesagt?«
»Kein Wort. Ich habe im Auto auf sie gewartet. Es dauerte nicht lange, vielleicht zwanzig Minuten. Auf der Rückfahrt hat Lena die meiste Zeit geweint.«
Scholz maulte von hinten: »Dann war wohl nichts mit dem geilen Fick, auf den du spekuliert hast, was?«
»Darum ging es nicht.«
»Sondern?«
»Ich wollte ihr helfen.«
Reuter fragte: »War Lena betrunken?«
»Sie hatte eine leichte Fahne. Im Auto riecht man so etwas schnell. Aber
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