Königsallee
Fenster, als wollte der Investor auf diese Weise Mieter anlocken.
In der Bahnhofsgegend lagen die Straßen wie ausgestorben, nicht einmal Junkies und Kleindealer schlenderten um diese Zeit über das Pflaster.
Die Kölner Straße. Ritter nannte die Hausnummer. Scholz ging vom Gas und hielt Ausschau.
Ein dicker Mercedes fiel ihm auf, der in zweiter Reihe parkte. Zwei Anzugträger auf den Vordersitzen, die Gesichter von der Straßenlaterne schwach beleuchtet. Keine Bärte. Der Typ am Steuer rauchte. Scholz ließ den Opel vorbeirollen und schaute nicht hin.
»Da drüben ist es«, stellte Ritter fest und wies auf einen Hauseingang.
Scholz wendete und hielt. Sein Beifahrer wollte aussteigen.
»Warte«, sagte Scholz.
»Was ist?«
»Siehst du den Benz auf der anderen Seite?«
Ritter nickte. »S-Klasse. Achtzylinder. Die AMG-Version.«
» Auto Bild -Leser, oder was?«
»Erkenn ich an den Felgen.«
Mit diesen Worten verließ Ritter den Wagen und nahm seine Tasche aus dem Kofferraum. Scholz fügte sich, schloss ab und folgte seinem Dienstgruppenleiter ins Haus.
Der Tatort war eine Wohnung im dritten Stock eines Mietshauses aus den Fünfzigern des letzten Jahrhunderts. Im Flur fielen Scholz Koffer auf. Die Mieter waren gerade von einer Reise zurückgekehrt. Sie liefen aufgelöst durch die Zimmer und plapperten ohne Punkt und Komma. Der Mann staunte, dass die Einbrecher den Fernseher nicht angerührt hatten – als sei die Mattscheibe sein wichtigstes Gut.
Die Frau erinnerte Scholz an Bettina, wie sie vor zwanzig Jahren ausgesehen hatte: eine junge Blonde, das lange Haar seitlich gescheitelt, süßes Gesicht.
Er startete seinen Laptop. Der Schließzylinder der Eingangstür war geknackt, im Schlafzimmer standen Schubladen auf. Bargeld fehlte, etwas Schmuck. Einer von weit über tausend Einbruchsfällen pro Jahr in dieser Stadt.
Scholz tippte den Bericht, während Ritter auf der Suche nach Fingerspuren die Tür mit dem Rußpinsel einstaubte – reine Show, wusste Scholz: Gib den Wohnungsinhabern das Gefühl, man kümmere sich um sie. Vielleicht hatte sich Ritter auch in die junge Blonde verguckt und wollte Eindruck schinden.
»Sie werden sicher noch die Nachbarn befragen«, sagte die Frau.
»Klar«, log Ritter und strich über seinen Schnauzer.
Als sie wieder in den Omega stiegen, stand der S-Klasse-Benz noch immer vor dem Waschsalon.
»Fahr los, mir wird kalt«, drängte Ritter.
Scholz hörte nicht auf ihn.
»Mit dem Wohnungseinbruch haben die Typen nichts zu tun. Worauf wartest du?«
Im Mercedes ging die Innenbeleuchtung an.
Ritter polterte: »Glaubst du, der Schlitten ist geklaut?«
»Vielleicht.«
»Mafia. Überall witterst du Mafia. Ohne organisierte Kriminalität fehlt dir was, stimmt’s?«
Der Mercedesfahrer hatte einen Stadtplan aufgefaltet und zeigte dem anderen etwas. Nach kurzer Zeit wurde der Innenraum wieder dunkel.
»Dein Getue beeindruckt mich nicht, Scholz. Glaubst du, ich weiß nicht, warum sie dich beim KK 22 rausgeschmissen haben?«
»Einen Dreck weißt du.«
Für einen Moment dachte Scholz an die schlimme Zeit, nachdem der Prozess gegen Böhr gescheitert war. Schlimmer als Abschaum hatten ihn die Kollegen behandelt. Sogar diejenigen, die zuvor seine Kumpel gewesen waren.
»Die K-Wache ist dir nicht interessant genug«, giftete Ritter. »Das ist tragisch, denn dein Zug ist abgefahren. Ende vierzig und die Weste voller Flecken. Wer will schon einen wie dich?«
Lass ihn reden, dachte Scholz. Er vermisste ein Fernglas oder eine Fotokamera mit ordentlichem Teleobjektiv.
Ritter nervte weiter: »Ich kann’s nicht ab, wenn jemand glaubt, seine Fürze würden nicht stinken. Weißt du was? Ich melde dich für die Scheißprojektgruppe, ob du willst oder nicht.«
Die Beifahrertür der großen Limousine schwang auf. Ein Mann mittleren Alters stieg aus und schlenderte zu dem Hauseingang neben dem Waschsalon. Die überbreiten Anzugschultern erinnerten an die Achtzigerjahre, die Hosenbeine waren zu lang und bauschten sich auf den Schuhen.
Im selben Moment flammten die Scheinwerfer des Benz auf. Die Luxuskarre setzte sich in Bewegung und glitt vorbei. Scholz ließ sich tiefer in den Sitz sinken und spähte vorsichtig aus dem Seitenfenster. Der Fahrer schien noch jung zu sein, seine Haarspitzen waren mit Gel hochgezwirbelt. Mehr war nicht auszumachen.
Scholz notierte sich das Kennzeichen. Dazu Autotyp, Straße und Nummer des Hauseingangs, durch den der Beifahrer verschwunden war. Ein
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