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Königsallee

Königsallee

Titel: Königsallee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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die Seifenblase platzen, wenn nicht ein Wunder geschah.
    Draußen rissen die Passanten den Demonstranten die Flugblätter aus den Händen und drängten sich, um zu unterschreiben.
    Simone warf dem Dicken einen Blick zu. Sie erinnerte sich an Krolls Dossiers. Noch war die Schlacht nicht verloren. »Wir müssen rasch einen neuen Investor finden. Tun Sie Ihren Job, Herr Miehe.«
    Der Beigeordnete runzelte die Stirn. »Der Markt lässt wenig Chancen für ein weiteres Hotel der Nobelklasse. Das ist wie mit unserer neuen Fußballarena. Es gibt zu viele davon, um sie lukrativ betreiben zu können.«
    »Düsseldorf ist nicht irgendeine Stadt!« Sie zitierte Kroll: »Auf der Immobilienbörse in Cannes …«
    Der Dicke stöhnte.
    Simones Handy klingelte. Es war der Rathauspförtner.
    »Hier sind Leute, die Unterschriftenlisten abgeben wollen. Nehmen Sie die entgegen, Frau Beck?«
    »Schicken Sie die Leute zum technischen Rathaus, Brinkmannstraße.« Zwar war dort niemand zuständig, aber Simone gönnte es den Gekkos, vergeblich durch die Stadt zu kreuzen.
    Sie wandte sich wieder an Miehe. »Wenn diese Krawallmacher auch nur ein Sandkorn auf unser denkmalgeschütztes Pflaster kippen, verdonnern wir sie zu einem Ordnungsgeld, das noch ihre Enkel abstottern müssen.«
    »Eins muss man Ihnen lassen, Frau Beck. Sie haben schnell gelernt.«
    Der Dicke walzte aus dem Saal. Simone fragte sich, ob sie ihm zu wenig Druck gemacht hatte. Wie hatte es dieser Versager nur zulassen können, dass ihm mitten in der Nacht die Investoren für das Hafen-Congress-Center absprangen?
    Nur drei Tage Zeit, um Kroll zu retten. Und bislang kein Plan B.
8.
    » Die Nacht markiert Max Beckmanns eindrucksvollsten Auftritt auf der Bühne der künstlerischen Avantgarde und nimmt eine Schlüsselstellung im Œuvre des Künstlers ein. Unter dem Eindruck des Ersten Weltkrieges entstanden, manifestiert das Bild Beckmanns Abkehr vom Impressionismus.«
    Das Mikrofon gab pfeifende Geräusche von sich. Der Museumschef bedeckte es mit der Hand, was die Rückkopplung nur verstärkte. Ein Techniker eilte herbei und drehte die Lautsprecher etwas zur Seite. Der Direktor konnte fortfahren. Sein Vollbart und die lange, graue Mähne verliehen ihm ein Flair von Boheme und Draufgängertum.
    Jan Reuter beäugte das Bild. Da hing es tatsächlich. An einer Stellwand mitten im Foyer, von Scheinwerfern bestrahlt. Der Stolz der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen. Die Leinwand war mehr als anderthalb Meter hoch. Das Bild wirkte bedrückend und brutal – kein Vergleich zu dem kleinen Farbausdruck, mit dem Reuter all die Monate hausieren gegangen war.
    »… zugleich stellt es ein bedeutendes Dokument der gesellschaftlichen Bedingungen seiner Zeit dar. Der Künstler hat es ungewöhnlich exakt mit August 18, März 19 datiert. Nach Ausbruch der Novemberrevolution herrschten in Deutschland Unsicherheit und Elend. Die Bevölkerung hungerte, ein Generalstreik wurde von der neuen Regierung blutig niedergeschlagen. In Beckmanns Gemälde dringt die Gewalt von der Straße ins Haus. Die drastische Darstellung …«
    Reuter gähnte. Geschlafen hatte er kaum. Am Morgen hatte er mit Katja telefoniert. Sie hatte fröhlich geklungen, als hätte es nie eine Verstimmung gegeben.
    Sie hatten verabredet, sich heute Abend gemeinsam das japanische Feuerwerk anzusehen, das nach Einbruch der Dunkelheit am Rheinufer gezündet werden würde.
    »… der Stil der Transzendenten Sachlichkeit fußt auf der Auseinandersetzung mit der Formensprache des Kubismus und der spätmittelalterlichen Tafelmalerei. Erst bei näherer Betrachtung erschließt sich der komplexe Aufbau aus spitzen Winkeln und gliedernden Diagonalen. Die Raumperspektive ist gebrochen, auch das fahle Licht …«
    Reuter hatte mit Versicherung und Museum telefoniert und wusste, um welche Beträge es bei dem Rückkauf gegangen war. Kurz nach dem Raub vor knapp zwei Jahren hatte der BEAG-Konzern die Versicherungssumme von zehn Millionen Euro ausbezahlt. Damit waren die Rechte an dem Bild zunächst dem Versicherungskonzern zugefallen. Doch dann hatte das Museum die Rechte für nur fünf Millionen zurückgekauft – die Versicherung hatte sich darauf eingelassen, weil ihre Detektive bei der Suche nach dem Gemälde nicht vorangekommen waren. Schließlich hatte vor einem Jahr Rechtsanwalt Dr. Edgar Reuter dem Museum seine Dienste angeboten.
    Drei Millionen hatte der Rückkauf gekostet, sogenannte Vermittlungskosten, die der unbekannte Drahtzieher des

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