Königsallee
sekundenlang, dann brannte sie mit leisem Summen. Noch einmal Böhrs Kontobelege durchforsten – mehr konnte er im Moment nicht tun.
Den Abend widmete Reuter den Fischen. Das Aquarium im Wohnzimmer der kleinen Wohnung war eine eigene Welt, deren Schöpfer er war und die er in allen Parametern kontrollierte: Temperatur, pH-Wert, Salz-und Sauerstoffgehalt. Ein Meerwasseraquarium mit tropischer Fauna.
Die Technik war weitgehend auf dem neuesten Stand. Fast alles war automatisch geregelt, von der Beleuchtung bis zur Strömung. Kein Problem, wenn Reuter mal einen Tag nicht da war. Sorgen bereitete ihm nur die Silikonabdichtung der Glasplatten, die ihm porös erschien. Ein Leck war Reuters Horrorvorstellung – es würde das Ende der kleinen Welt bedeuten.
Seinen Schützlingen ging es sichtlich gut. Die Ringelclownfische schmiegten sich in ihre Seeanemone. Der Knallkrebs grub Gänge in den Sand. Zwei Partnergrundeln schnappten nach allem, was der Krebs aufwühlte. Die Maskenwimpelfische zogen ihre Bahnen, für sie war Reuter eigens auf ein größeres Becken umgestiegen. Ein Pärchen von jeder Sorte, sogar vom Federwurm – keiner sollte an Einsamkeit leiden.
Seine jüngste Anschaffung waren zwei Teufelsfeuerfische. Sie verhielten sich friedlich gegenüber allem, was nicht in ihr Maul passte, legten sich also nicht mit dem Rest der Familie an. Vor den giftigen Stacheln hatte Reuter allerdings Respekt, wenn er das Wasser auffrischte und den Filtereinsatz reinigte.
Heute half ihm das Aquarium nicht, seine Sorgen auszublenden.
Der Nachmittag, der Abend, die Nacht: Das Grübeln begleitete Reuter ins Bett und dauerte an, als er längst das Licht gelöscht hatte. Erst weit nach Mitternacht fand er Schlaf, unruhig und schweißnass.
Freitag, 18. Mai, Blitz, Lokalnachrichten:
HOFFNUNG FÜR GEKKO-BEACH?
Welle der Solidarität
Immer mehr Düsseldorfer wundern sich, warum das berühmte Strandlokal (sogar die New York Times berichtete) nicht bis zu dem für Herbst vorgesehenen Baubeginn des Hafen-Congress-Centrums (HCC) bleiben kann, gemäß des jüngsten Vorschlags des Gekko -Chefs Echternach.
OB Kroll bleibt jedoch bei seiner harten Linie: »Der sogenannte Kompromiss ist nichts als Augenwischerei und zeugt von böswilliger Verleugnung der Fakten. Ich stehe mit den Investoren für das HCC in Verbindung, sie begrüßen meine Entscheidung.« Doch auch Echternach will mit den Geschäftsleuten aus Toronto telefoniert haben: »Nicht einmal der Herbst als Baubeginn ist wirklich sicher.«
Unzählige Besucher des Biergartens aalten sich gestern in den Strandkörben, genossen noch einmal Frühlingssonne, Samba-Klänge und Würstchen vom Grill. Marius (24): »Coole Location. Kann mir den Sommer ohne Gekko-Beach gar nicht vorstellen.« Gudrun (49): »OB Kroll regiert wie ein Sonnenkönig, völlig an den Bürgern vorbei.« Und Herbert (31) lehnt gar das geplante HCC ab: »Ein größenwahnsinniges Prestigeobjekt.«
Eine Demonstration vor dem Rathaus ließ der OB gestern räumen. Begründung: Sie behindere die Vorbereitungen zum heutigen Japan-Tag. Die Stunden von Gekko-Beach sind gezählt.
Freitag, 18. Mai, Morgenpost, Lokales:
FEUERBLUMEN VERZAUBERN DEN HIMMEL
Eine Million Besucher zum Japan-Tag erwartet
Nachdem das große Feuerwerk im letzten Jahr wegen Sturmwarnung abgesagt werden musste, geben die Wetterfrösche für heute Abend grünes Licht. Als Höhepunkt des Japan-Tages werden ab 22 Uhr rund 4.000 handgefertigte Feuerwerkskörper, sogenannte Bomben und Bombetten, kunstvolle Motive an den Himmel über dem Rhein zaubern. Seit neun Monaten basteln japanische Pyrotechniker an dem Spektakel, zu dem mehr als eine Million Besucher an Rheinufer und Promenade erwartet werden.
Am Nachmittag eröffnen Oberbürgermeister Dagobert Kroll und der japanische Generalkonsul die Feierlichkeiten mit dem Anstich eines Sake-Fasses auf dem Burgplatz. Kampfsport-Vorführungen, Samurai-Heerlager und Kimono-Show bilden ein buntes Kulturprogramm. 7.000 japanische Mitbürger leben in Düsseldorf. Das ist die drittgrößte japanische Gemeinde der Welt außerhalb Nippons.
Einen Seitenhieb auf seine Gegner konnte sich OB Kroll bei der gestrigen Pressekonferenz nicht verkneifen: »Nicht ein Gecko bringt Düsseldorf voran, sondern über fünfhundert japanische Firmen, die sich in unserer Stadt niedergelassen haben. Investoren aus aller Welt sollen sich auch in Zukunft bei uns wohlfühlen, dafür stehe ich persönlich
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