Königsallee
hatten.
Gauner, die eine Telefonüberwachung fürchteten, trafen sich gern in Fahrzeugen. Der Autotyp passte, die Uhrzeit auch – es roch nach Unterwelt. Offenbar hatte der K-Wachen-Beamte das ähnlich gesehen. Reuter staunte: ein detailreicher Bericht. Der Verfasser hatte Beobachtungsgabe und konnte schreiben.
Er bezeichnete den Fahrer als jung, Mitte zwanzig. Der andere war um die vierzig. So, wie die Kleidung des Beifahrers geschildert war, konnte der Anzugträger aus Osteuropa stammen. Ehemalige Sowjetunion, eher Provinz als Moskau, die Metropole.
Da hatte jemand ein ziemlich gut geschultes Auge. Das Namenskürzel unter dem Protokoll war unleserlich.
»Michael, machst du mal ’ne Halterfeststellung?«
»Erhalte ich neuerdings meine Anweisungen von dir?«
»Nein, von Hennerkamm. Und der will, dass wir diese Sache überprüfen.«
Der Kollege murrte, loggte sich aber bei der Kraftfahrzeugzulassungsstelle ein. Reuter las ihm die Nummer des Benz vor.
Dann griff er zum Telefon und tippte die Durchwahl der Personalabteilung. »Reuter hier. Könnt ihr mir sagen, wer in der Kriminalwache alles zur Dienstgruppe B gehört?«
Eine piepsige Frauenstimme am anderen Ende. Reuter erinnerte sich an die Mollige mit Sommersprossen, die an Altweiber versucht hatte, ihn anzubaggern.
»Ermittelst du wieder gegen einen Kollegen?«, fragte sie schnippisch.
»Ich hab hier eine Unterschrift, die ich nicht entziffern kann, und wüsste nur gern, an wen ich mich für Rückfragen wenden kann.«
»Okay, da haben wir: Ingo Ritter, Marietta Fink, Jürgen Hopp, Norbert Scholz …«
»Danke, das reicht schon.« Reuter legte auf.
Scholz.
Koch fragte: »Ist uns schon mal ein Grusew begegnet?«
»Bitte, wer?«
»Der Halter des Mercedes heißt Grusew, Vorname Denis mit einem n, sechsundzwanzig Jahre alt, wohnhaft in Düsseldorf, Sauerweg 17.«
»Klingt nach einem Russki, oder?«
Reuter rief die Ausländerbehörde an und erfuhr, dass Denis Grusew seit fast drei Jahren in Deutschland lebte. Weil er ein Einkommen aus selbstständiger Arbeit nachweisen konnte, hatte man ihm eine befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt, die jedes Jahr verlängert worden war.
Auflegen, neu wählen, Handelsregister.
Die Sachbearbeiterin verlangte für die telefonische Auskunft ein Passwort, das Reuter auf die Schnelle nicht finden konnte. Er bat um Rückruf über die Amtsleitung – Beweis genug, dass er für die Polizei arbeitete.
Während er auf den Rückruf wartete, sagte er zu Koch: »Du errätst nicht, wer uns diesen Grusew beschert hat.«
Der Kollege sah von dem Papierkram auf, den er in Arbeit hatte. »Sag schon.«
»Unser schwarzes Schaf. Norbert Scholz.«
»Du liebe Scheiße!« Michael streckte beschwörend die Hände aus. »Der Typ hat hier jahrelang den Obereifrigen gespielt und war in Wirklichkeit ein Maulwurf der Gegenseite. Er ist schuld daran, dass die Staatsanwaltschaft so schlecht auf uns zu sprechen ist. Wenn ausgerechnet Scholz uns einen Hinweis liefert, ist etwas faul.«
Es klingelte.
»Herr Rieder?« Es war die Tante vom Handelsregister.
»Reuter«, verbesserte er.
»Die Firma Tiras-Inter existiert seit Dezember 2004, ist eine GmbH und geschäftsführender Gesellschafter ist der von Ihnen erwähnte Herr Denis Grusew. Sitz der Firma ist Sauerweg 17, Gegenstand ist der Handel mit Mineralölerzeugnissen sowie der Import und Export von Waren aller Art.«
Das Übliche, dachte Reuter. »Nähere Erläuterungen?«
»Keine.«
»Können Sie mir den Ausdruck zufaxen?«
»Geht klar, Herr Rieder.«
Reuter rief das Finanzamt an und wurde mehrfach weiterverbunden. Er weigerte sich beharrlich, sein Anliegen schriftlich einzureichen – in dem Fall würden Wochen vergehen, bis er eine Antwort erhielt.
In der Warteschleife eine elektronische Version der Kleinen Nachtmusik. Reuters Magen knurrte im Takt.
Endlich bekam er Auskunft: Die Steuerfahnder bezifferten den Umsatz des Russen als gering, ein Ladenlokal besaß er nicht. Grusews gemeldetes Einkommen überstieg kaum den Freibetrag für kinderlose Ledige. Dafür fuhr der junge Russe ein Auto, das mehr als hunderttausend Euro kostete. Und betrieb eine ISDN-Anlage mit fünf Rufnummern.
Die man abhören sollte, dachte Reuter.
»Rufst du den Staatsanwalt an, Michael?«, bat er. »Auf dich hört er vielleicht noch.«
11.
Kroll fingerte an der Sitzlehne herum. »Wo schaltet man diese Massagefunktion ein?«
Der Fahrer half ihm. Der Beifahrersessel begann, leise zu rumoren.
»Ah!«,
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