Königsallee
Andermatts den Haushalt gemacht. Das waren nur ein paar Wochen und in der Zeit hatten Lena und ich kaum Kontakt und so, aber vor ein paar Monaten traf ich sie in der Disko wieder und wir verstanden uns auf Anhieb. Voll gleiche Wellenlänge irgendwie. Als wär sie schon immer in unserer Clique gewesen.«
»Wer gehört noch dazu?«
Juli nannte Maisel sowie ein paar weitere Namen, die Reuter notierte. Er fragte: »Den Haushalt machen – ist das auch sonst Ihr Job?«
»Ich putze Treppenhäuser für eine große Firma. So freiberuflich auf Honorarbasis.«
»Auf Honorarbasis?«
Das Lockenpüppchen verzog den Mund. »Akkord und ohne Kündigungsschutz. Wenn du langsam bist, verdienst du nichts, wenn du schluderst, fliegst du raus.«
»Klingt nicht so gut.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Robby wollte mir mal etwas Besseres besorgen. Im Pleasure Dome oder im Goldenen Einhorn. Aber Böhr hat mich im Vorstellungsgespräch dumm angemacht, da bin ich abgehauen. Robby hab ich’s nie erzählt. Ich wollte nicht, dass er Ärger macht und seinen eigenen Job riskiert. Lieber sollte er denken, dass es meine Schuld war, dass ich den Job nicht gekriegt hab. Die Treppenhäuser sind ganz okay. Da fasst mich wenigstens keiner an und so. Aber es ist nicht leicht, alles auf die Reihe zu kriegen, mit Justin und so. Seit er da ist, geht es kaum noch.«
»Warum hat es bei den Andermatts nicht länger geklappt?«
»Weil die Frau echt ’ne Zicke ist. Nichts kann man ihr recht machen. Sie läuft ständig hinter einem her und findet immer einen Grund zum Nörgeln.«
»Sie sind am Niederrhein aufgewachsen, hat Robby erzählt.«
»Ursprünglich stamme ich aus dem Ruhrgebiet. Meine Mutter war alleinerziehend, und als es zu viel für sie wurde, hat sich meine Tante gekümmert. Die wohnt in Uedem. Eigentlich war’s ganz nett dort.«
»Aber?«
»Wussten Sie, dass Uedem der Zuckerrübe ein Denkmal gebaut hat?«
»Nein.«
»Das sagt doch alles über den Ort. Da ist nichts los. Na ja, und die Schule war nie so mein Ding und ohne Abschluss gibt’s in dem Kaff keine Arbeit. Deshalb bin ich nach Düsseldorf gegangen.«
»Frau Winters, wo waren Sie gestern Abend gegen zehn?«
Juli riss die Augen auf. »Verdächtigen Sie mich?«
»Nehmen Sie’s nicht persönlich. Ich muss das fragen.«
»Ich war zu Hause. Hab lange mit meiner Mutter telefoniert. Das können Sie doch nachprüfen, oder?«
»Ihre Beziehung zu Robby – war sie harmonisch?«
»Hey, ich find’s nicht fair, wie Sie mich beschuldigen. Ich hab den Mann echt geliebt.«
Das Baby war aufgewacht und quengelte vor sich hin.
»Wussten Sie von den Partys, die Robby mit Lena veranstaltet hat?«
Juli verzog das Gesicht. »Sie meinen Sascha. Robby und ich, wir sind nur ein einziges Mal hingegangen. Ich fand das irgendwie …«, sie verzog das Gesicht. »Sascha meinte, ich könnte damit voll Geld machen, aber ich bin nicht so …«, wieder suchte sie nach Worten, »… wild drauf wie Lena.«
»Wann haben Sie Robby zuletzt gesehen?«
»Mittwochabend, wieso?«
»Wissen Sie, was er gestern tagsüber vorhatte?«
»Morgens schlief er lange, dann ging er zur Arbeit. Meist musste er so um fünfzehn Uhr im Pleasure Dome sein. Einkäufe erledigen und so.«
Aus dem Quengeln wurde Schreien, Juli nahm ihren Justin auf den Arm, um ihn zu beruhigen. Ohne rechten Erfolg.
»Und gestern Abend?«
»Freitag ist immer echt viel los in der Disko.«
»Ich meine, was wollte er abends um zehn im Hafen?«
»Keine Ahnung, wirklich nicht. Hören Sie, Justin hat Durst. Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich ihn stille?«
Reuter überlegte: Es war bereits bedenklich, jemanden allein zu vernehmen. Wenn sie stillte, genügte womöglich ein Blick auf ihre Brust und er hatte eine Anzeige wegen Belästigung am Hals – und keinen Zeugen, der ihn entlasten konnte.
»Wir machen eine kurze Pause«, sagte Reuter.
Er holte sich einen Kaffee aus dem Geschäftszimmer, wo Nora gerade Kartons mit Aktendeckeln und Formularen füllte. Sie sagte: »Süßes Würmchen, dieser Justin, aber hast du gesehen, wie dünn er ist?«
Reuter wartete auf dem Gang. Endlich trat Wegmann aus einem Nachbarzimmer.
»Schon fertig?«, fragte er.
»Justin wird gerade gestillt – und so. «
»Ist ’ne echte Vertreterin der Hartz-Fraktion, was?«
»Ich glaube, korrekt heißt das Prekariat.«
»Nebenan wird gerade Sascha Maisel vernommen. Auch so ein Unterschichten-Prinz. Die Durchsuchung seiner Wohnung läuft.«
»Wie kriegt man so
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