Königsallee
reichen Russen könnten das Stadtoberhaupt kaufen.
Ihr wurde warm. Draußen schien die Sonne. Vielleicht sollte sie auf die Funktionsunterwäsche verzichten.
Das Telefon klingelte.
»Hallo?«
Der Oberbürgermeister war dran. »Haben Sie Zeit, Frau Beck, heute Mittag um eins? Ich brauche Sie für das Damenprogramm.«
»Damenprogramm?«
»Uns liegt ein neues Angebot vor. Ich habe bereits mit meinem Cousin Gisbert Valerius darüber gesprochen und er rät mir dringend zur strategischen Allianz zwischen unserer herrlichen Stadt und diesem Ölkonsortium um Vitali Karpow. Das ist eine Chance, die Düsseldorf nicht ausschlagen kann. Ich hatte ja schon so manchen genialen Einfall, doch diesmal muss ich mich tatsächlich loben.«
»Aber …«
»Gisbert und ich werden Karpow heute Mittag die Präsentation zeigen. Vergessen Sie die bisherige Planung. Das Modell können wir einstampfen. Wir stocken gewaltig auf. Gisberts Leute arbeiten daran, ein Kasino inklusive Wellness-Therme in das Konzept zu integrieren und die Ladenzeile zu einer Shoppingmall auszubauen, die alles in den Schatten stellen wird.«
»Wollten Sie das HCC nicht einem seriösen Investor …«
»Das ist eben der Unterschied zwischen uns beiden, Frau Beck. Ihnen fehlt einfach das visionäre Potenzial. Wenn wir diesen dicken Fisch nicht an Land ziehen, wird es jemand anderes tun. Wir stehen vor einer Win-win-Situation, ach was, vor einer Win-win-win-Situation! Der Investor wird profitieren und die Stadt sogar doppelt!«
Du vergisst, Gisbert Valerius zu erwähnen, dachte Simone. Die Opposition wird Vetternwirtschaft beklagen. Diesmal zu Recht.
Kroll fuhr fort: »Und Sie gestalten das Damenprogramm.«
»Was hat es damit auf sich?«
»Lohmar wird es Ihnen erklären.«
Aufgelegt.
Simone streifte die Air-Zoom-Skylon-Triax-Treter ab und schleuderte sie durch den Raum. Der Kerl lobte sich doch tatsächlich für einen Einfall, der von ihr stammte und den er gestern noch abgelehnt hatte – mit den besten Gründen, wie sie fand.
Mit dem HCC beweist Düsseldorf seinen Rang unter den Business-Metropolen der Welt.
Ihr schwirrte der Kopf.
Was hätte sie tun sollen? Selbst wenn sie den Oberbürgermeister eindringlicher vor Karpow und Co. warnen würde – Kroll würde niemals auf sie hören.
Zum ersten Mal im Leben war Simone wirklich ratlos.
30.
Reuter warf einen Blick auf den Kantinenaushang und entschied, sein Glück beim Chinesen gegenüber zu versuchen. Während er vor der Imbisstheke anstand, gingen ihm die Ereignisse der letzten Stunde durch den Kopf.
Nach Rücksprache mit MK-Leiter Becker hatte er sich Sascha Maisel noch einmal vorgeknöpft – mit ein paar Fragen, die von den Kollegen in der ersten Runde noch nicht gestellt worden waren. Und mit Ergebnissen, die ihn verblüfft hatten.
Der Imbiss bot einen Mix aus den Küchen dieser Welt: Asien, Balkan, Germanistan. Reuter entschied sich für das Mittagsmenü: Gebratener Reis mit Gurkensalat.
Er trug den Styroporbehälter über die Straße und hinauf in sein Dienstzimmer. Während er aß, ließ er den Rekorder laufen.
Sascha Maisel, fünfundzwanzig Jahre alt, von Beruf Einlass-Manager – so hatte der Kerl es allen Ernstes formuliert. Besonderes Kennzeichen: kahl rasierter Schädel und permanentes Lächeln; offenbar hatte Maisel kapiert, dass ihm die widerspenstige Tour hier nichts brachte.
Wie Robby stammte er aus der ehemaligen Sowjetunion. Die beiden hatten sich in der Hauptschule in Bielefeld kennengelernt, wo sie knapp den Abschluss verpasst hatten.
Der Kerl hatte wie ein Wasserfall geredet – zumindest über das, was ihn nicht belastete.
Wir wissen, dass du die Party im Hotel Villa Rheinblick verlassen hast, bevor es richtig losging. Warum?
Ich hatte es mir eben anders überlegt.
Und dann bist du zur Wohnung deines Freundes Robby gefahren. Warum?
Ich war das echt nicht.
Wie erklärst du dir dann, dass wir in Robbys Wohnung deine Fingerabdrücke gefunden haben?
Kein Kommentar.
Sascha war der Meinung gewesen, schon alles den Kollegen gesagt zu haben. Dann hatte Reuter ihm neue Fragen präsentiert. Ein Schuss ins Blaue: Kennst du Edgar Reuter?
Nie gehört.
Der gebratene Reis schmeckte fad. Reuter mischte scharfes Sambal unter die Pampe. Er spulte das Band weiter. Dabei saute er die Tasten mit seinen fettigen Fingern ein – egal.
Erzähl mir von der Erpressung.
Wir fuhren an der Villa des Richters vorbei und Robby fragte mich, wie viel der reiche Sack wohl abdrücken
Weitere Kostenlose Bücher