Königsallee
Adresse durch und riet Becker, für eine Überwachung des Hauses zu sorgen. Henrikes Tasche lag noch in der Wohnung der Freundin, vielleicht würde die Richtertochter zurückkehren.
»Wir bringen übrigens ein Baby mit. Juli Winters hat ein Kind von Robby Marthau.«
»Die Arme.«
»Habt ihr Sascha Maisel angetroffen?«
»Ja, ein Team hat ihn geweckt. Etwas unsanft, er wollte zunächst nicht einsehen, dass wir ihn sprechen wollen. Wir können ihm zumindest eine Anzeige wegen Widerstands anhängen. Wahrscheinlich auch den Einbruch in die Wohnung des Opfers. Außer der Aussage der alten Nachbarin haben unsere Jungs von der Kriminaltechnik reichlich Spuren entdeckt.«
»Und die Andermatts?«
»Der Kripochef ist selbst rausgefahren.«
Dort geht es vermutlich weniger ruppig zu, dachte Reuter, als er das Gespräch beendete.
Er wandte sich nach hinten und sprach Juli an: »Ich kannte Robby. Er hat mir erzählt, wie sehr er Sie liebt. Ein feiner Kerl.«
Jeder Satz eine Lüge, dachte Reuter. Und sein Versuch, sich einzuschmeicheln, kam nicht einmal gut an, wie er rasch bemerkte.
»Ich weiß, dass er als Informant und so für die Polizei gearbeitet hat«, erwiderte die junge Frau eisig. »Warum konnten Sie nicht besser auf ihn aufpassen?«
27.
Scholz war hundemüde, als er mit seinen Wochenendeinkäufen heimkehrte. Die Morgenpost klemmte im Briefkasten. Er zerrte sie heraus, die Titelseite riss. Ein Jogger keuchte vorbei und hielt ihn vermutlich für einen Zeitungsdieb.
Vor seiner Wohnungstür im zweiten Stock überraschte ihn Florian, sein Sohn. Der Junge kauerte auf dem Absatz und umklammerte seine Tasche – bange Erwartung im Blick. Florians Frisur war mit Gel verklebt und erinnerte an ein Weizenfeld, durch das ein Sturm gepflügt war.
Seine Pupillen wirken normal, stellte Scholz fest.
Er wühlte nach seinem Schlüssel. »Hat Bettina dich rausgeworfen?«
»Du hast es also vergessen«, erwiderte Florian.
»Was?«
»Dass Mama auf Malle ist. Wegen Tante Gudrun.«
Scholz fiel es wieder ein: Gudrun Neumann, vierundachtzig, keine wirkliche Tante seiner Frau, sondern eine alte Freundin ihrer Eltern. Die Rentnerin hatte zuletzt auf Mallorca gelebt und war vorgestern gestorben. Bettina war zur Einäscherung auf die Insel geflogen – er würde Florian das Wochenende über am Hals haben.
»Zieh die Schuhe aus.« Scholz entriegelte beide Türschlösser.
Der Junge stand hinter ihm und wartete.
»Ich sagte, zieh deine Treter aus, sonst kommst du nicht rein.«
»Wieso denn?«
»Weil du auf eine Tretmine getappt bist. Riechst du das nicht? Mannomann!«
Florian schnitt eine Grimasse und gehorchte. Im Wohnzimmer warf er die Tasche auf die Couch, ein seltsames, jeansblaues Ding. Er hielt seine Sportschuhe ratlos in der Hand.
»Abputzen!«
»Was?«
»Die Schuhe.«
Scholz drückte dem Jungen einen Lappen in die Hand und schob ihn ins Bad. Anschließend knöpfte er sich die blaue Tasche vor. Eine zerschlissene Jeans, der Bettina die Beine abgeschnitten und die Löcher vernäht hatte. Eine Kordel in den Gürtelschlaufen diente als Tragriemen. Im Inneren ein Durcheinander aus Büchern und Heften, einem Mäppchen mit Stiften, Kaugummis, iPod und Handy. Zerknüllte Taschentücher, die knisternde Hülle eines Schokoriegels. Keine Tabletten oder Ampullen. Keine Briefchen mit weißem Pulver, nicht einmal Zigaretten. Wenn der Siebzehnjährige Drogen bei sich führte, dann woanders.
Scholz legte den Jeansbeutel zurück, verstaute seinen Wochenendeinkauf im Kühlschrank und schob eine Tiefkühlpizza in die Mikrowelle.
Er bemerkte, dass sein Anrufbeantworter blinkte. Um die Nachricht abzuhören, drückte er den großen Knopf.
Eine schnarrende Männerstimme, die er kannte. Rufen Sie mich mal zurück. Es folgte eine Nummer mit vielen Ziffern.
Scholz’ Herz klopfte schneller.
Er presste den kleinen Knopf ganz oben, bis die Maschine meldete: Aufzeichnung wurde gelöscht.
Florian stand in der Tür. »Wer war das?«
»Ach, dienstlich«, log Scholz. »Hunger?«
»Was hast du?«
»Mafiatorte.«
»Okay.«
Scholz fegte Rechnungen, Werbesendungen und alte Zeitungen beiseite und deckte den Tisch.
»Gibst du mir ehrlich ’ne Antwort?«, wollte Florian wissen.
»Auf welche Frage?«
»Hast du gerade meine Tasche gefilzt?«
»Wie kommst du darauf?«
»Weil du mich immerzu als Verbrecher behandelst. Du denkst, Mama hätte mich aus der Wohnung geworfen. Als hätte ich sie beklaut oder so ’n Scheiß.«
»Wäre nicht das erste
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