Königsallee
getan hat, ihre erste Aussage war lückenhaft und es gibt in Teilen Zweifel am Wahrheitsgehalt. Weil wir uns von einer weiteren Aussage viel versprechen und weil die Zeugin unter Umständen unseren Schutz braucht, haben wir sie zur Fahndung ausgeschrieben. Wohlgemerkt: Wir suchen sie als Zeugin, nicht als Verdächtige.«
»Am besten in den Diskos der Stadt«, warf ein Kollege ein.
Ein anderer rief: »In den Betten der Türsteher und Koksdealer!«
»Vorsicht«, mahnte Wiesinger, der neben Becker thronte, fett wie ein chinesischer Buddha. »Sonst werden wir alle nach Westfälisch-Sibirien versetzt!«
Becker hob die Arme, das Gemurre verstummte. »Ruhe bitte. Wie ihr vielleicht schon wisst, hat Sascha Maisel, der Freund des Ermordeten, ausgesagt, dass Robert Marthau Henrikes Vater erpresst hat. Wir haben den Richter heute dazu vernommen. Ich muss sagen, er war sehr kooperativ und hat den Erpressungsversuch und auch die geforderte Summe von einer halben Million Euro bestätigt. Laut Andermatt erfolgte die Erpressung vor etwa zwei Wochen per Telefon und anonym. Dazu muss man wissen, dass die Nummer der Andermatts nicht im Telefonbuch steht.«
»Der Türsteher hatte sie von der Tochter, wetten?«
»Nicht auszuschließen. Jedenfalls habe Andermatt die Erpressung ignoriert und Henrike einen anderen Lebenswandel nahegelegt. Sie muss ihm das wohl auch versprochen haben. Dass sie gestern mit dem Türsteher unterwegs gewesen war, hat Andermatt dann ziemlich stinkig gemacht. Na ja, so viel zu dem Mann, der vermutlich demnächst Innenminister wird.«
»Du hast vergessen, Andermatts Alibi zu erwähnen.«
»Das Dumme ist, dass er nicht wirklich eines hat. Er will zu Hause gewesen sein, was seine Frau natürlich bestätigt.«
Wiesinger meldete sich zu Wort. Eine weitere Spur sei eine mögliche Verbindung des Mordopfers zu dem Kunstraub vor gut zwei Jahren, der mit einer Lösegeldzahlung von drei Millionen und der gestrigen Präsentation des Bildes einen Abschluss gefunden hatte.
»Von wem stammt der Hinweis?«, fragte Scholz interessiert.
»Ebenfalls von Sascha Maisel.«
Eine lebhafte Diskussion brach los. Die Kollegen redeten durcheinander, MK-Leiter Becker versuchte vergeblich, Ruhe in die Runde zu bringen. Jeder gab seine eigene Theorie zum Besten.
Vielleicht versuchte der Drahtzieher des Artnappings, seine Mitwisser zu beseitigen. Vielleicht hatte sich Marthau mit einer konkurrierenden Drogenbande angelegt. Vielleicht hatte ihn jemand auf Befehl Manfred Böhrs erschossen, um ihn als Spitzel zu bestrafen. Oder der Täter war ein eifersüchtiger Liebhaber Henrike Andermatts. Eine Beziehungstat, warum nicht?
Eine Spekulation ist so gut wie die andere, dachte Scholz. Es hatte keinen Zweck, sich darauf einzulassen.
Die junge Kollegin, die für die Tatortarbeit zuständig war, stellte die Vermutung auf, dass der Täter über die Fußgängerbrücke in Richtung Rheinturm und Landtag geflohen sei. Dort hätte er zu Beginn des Feuerwerks im Getümmel der Schaulustigen untertauchen können. Vielleicht war er trotzdem jemandem aufgefallen. Sie schlug vor, die Medien entsprechend zu informieren, damit sich etwaige Zeugen meldeten. Außerdem sollten Taucher den Grund der Hafeneinfahrt im Bereich der Brücke nach der Tatwaffe absuchen.
Ela Bach signalisierte Einverständnis – Scholz erinnerte sich, dass er bei OK-Ermittlungen selten einen solchen Aufwand hatte betreiben können.
Er stand auf und holte sich das wörtliche Protokoll der Vernehmung, in der Sascha Maisel seinen Freund Robert Marthau und das geraubte Gemälde erwähnt hatte.
… hab ihn gefragt, ob er keine Angst hätte. Keine Spur, sagte er. Ich bring es doch nur von A nach B. Stellen Sie sich das mal vor, ey. Aber so war er eben.
Scholz las, dass Streber Reuter die Vernehmung geführt hatte. Ihm ging Reuters Frage während des gestrigen Feuerwerks durch den Kopf: Arbeitet Lohmar für Grusew oder für Böhr?
Die Kollegen beratschlagten noch immer. Scholz schlich sich aus dem Saal. Marietta würde ihm berichten, falls es noch etwas Wichtiges gäbe.
Er nahm die Treppe in den dritten Stock und klopfte an der Kriminalaktenhaltung. Die Angestellte musterte ihn, eine Dürre mit Brille und schiefen Zähnen.
Er stopfte seinen Hemdzipfel in die Hose. »Denis Grusew und Ulrich Lohmar.«
»Guten Abend erst mal.«
»Ja, gleichfalls. Eine Kriminalaktennummer habe ich nicht. Kannst du trotzdem mal im Archiv nachschauen, ob wir etwas über die beiden haben?« Er setzte
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