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Königsallee

Königsallee

Titel: Königsallee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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wuchs.
     
    Die Kunde vom Tod der Hauptzeugin überraschte Scholz in der Straßenbahn wie ein Faustschlag ins Gesicht – Versalien in Trauerschwarz, die Schlagzeile mit dem Spitznamen des berühmt-berüchtigten Vaters drei Finger hoch: Richter Gnadenlos: Tochter nackt und tot im Wald!
    Der Opi auf der Sitzbank gegenüber war in das Blatt vertieft. Scholz griff hin und schnappte sich die Zeitung, zugleich seine Marke präsentierend, um den Protest in Grenzen zu halten. Er ignorierte das Gezeter und las den Aufmacher.
    Spekulationen über ein sexuelles Motiv – keine Quellenangabe. Kein Wort über einen Zusammenhang zwischen dem Partyluder und ihrem ebenfalls ermordeten Türsteher. Zumindest diesbezüglich hatte also noch kein Beamter gegen das Schweigegebot des Kripochefs verstoßen.
    Nach der Darstellung des Blitz war Henrike Andermatt ein wahrer Sonnenschein gewesen. Beliebt bei Kommilitonen und Kollegen – kein Wunder, wenn sie allen Typen die Muschi hingehalten hat, dachte Scholz. Ganzer Stolz des Papas, der nun sehr stark sein muss – vor allem, wenn auch noch das Luderleben des Töchterchens durchsickert und ihm die Politkarriere versaut. Und wie immer feierte das Boulevardblatt den gnadenlosen Richter unterschwellig als Wunderkind der Verbrechensbekämpfung.
    Scholz gab die Zeitung ihrem Eigentümer zurück. Der Opi hörte nicht auf zu schimpfen – kein Respekt mehr vor der Obrigkeit, nicht einmal bei den älteren Semestern.
    Haltestelle Stadttor. Die Festung lag gleich gegenüber.
    Als Scholz den Fürstenwall entlanglief, rasselte ein Porsche Boxster vorbei. Der lange Kripochef am Steuer, neben ihm Ela Bach, die KK-11-Leiterin – entweder Nachbarn oder sie haben etwas miteinander, spekulierte Scholz.
    Das Treiben im umfunktionierten Frühbesprechungssaal in der vierten Etage glich einem Hühnerhaufen. In Grüppchen standen die Kollegen vor den Stellwänden, diskutierten Kaffee trinkend die Neuigkeiten, pafften am offenen Fenster. Wieder neue Gesichter dabei – die Mordkommission war noch einmal aufgestockt worden.
    Scholz grüßte Marietta.
    »Man hört, es war ein Sexgangster?«, fragte er.
    »Reine Spekulation. Es steht noch nicht einmal fest, woran sie gestorben ist.«
    »Hat sie’s beim Gangbang übertrieben?«
    »Altes Ferkel.«
    Der Raum füllte sich weiter. Scholz erkannte Bruno Wegmann vom KK 11 und wandte den Blick ab, als dessen Teampartner eintrat. Reuter, der Arsch.
    Wiesinger schlurfte mit zwei dicken Ordnern heran und ließ sich neben Scholz und Marietta nieder. Erstaunlich, dass der Stuhl den Dicken aushielt.
    »Wie viele Spuren sind es bislang?«, fragte Scholz den Aktenführer.
    »Zweiundvierzig. Ein Großteil bereits abgearbeitet. Es läuft ganz gut.«
    »Abgesehen davon, dass wir im Dunkeln tappen.«
    »Bei dir ist es immer nur halb leer statt halb voll, was? Mal sehen, was Bruno und sein Partner zu berichten haben. Die haben vorhin einen Ex der Toten aufgetan.«
    »Wenn sich alle melden, die mal was mit dem Mädel hatten, sind wir rasch bei Spur eintausend.«
    Mit dem Auftritt von Engel und Bach wurde es ruhiger im Raum.
    »Der Leitende Kriminaldirektor sieht mal wieder schick aus«, flüsterte die Kollegin.
    Scholz kratzte sich am Bauch. »Ist nur oberflächlich, glaub’s mir.«
    MK-Leiter Becker eröffnete die Sitzung und erklärte, dass vereinbart worden sei, die Mordkommission nicht zu teilen. Die beiden Hugos – zusammenhängende Fälle, zumindest vorläufig. Noch sei es möglich, den Überblick zu wahren.
    »Becker will nichts abgeben«, raunte Scholz Marietta zu.
    Engel fragte: »Was wissen wir über die Todesursache?«
    Der MK-Leiter referierte: »Die Obduktion läuft gerade, Kollegin Winkler und Staatsanwalt Balthus sind noch im Institut. Anna hat vorhin angerufen. Im Moment scheint nur sicher zu sein, dass Henrike Andermatt vergewaltigt worden ist. Es gibt Abschürfungen im Vaginal-und Analbereich. Dies und die Umstände am Tatort deuten natürlich auf ein Fremdverschulden hin.«
    Scholz pflückte ein Papier von dem Stapel, der herumgereicht wurde. Ein Vermerk, unterzeichnet von Anna Winkler – die Kurzfassung ihres Tatortbefundes. Er überflog die Zeilen.
    Die Umstände am Tatort : Die Andermatt-Tochter hatte splitterfasernackt im Gebüsch gelegen, keine Kleidung weit und breit, der Verlauf der Blutspuren an ihren Schenkeln zeigte, dass sie mehrfach umgelagert worden war. Scholz wusste, was das hieß: Man hatte sie nicht vor Ort missbraucht, sondern abgelegt, nachdem

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