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Königsallee

Königsallee

Titel: Königsallee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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plötzlich war er neugierig zu prüfen, ob Henrikes Fotos noch im Internet zu finden waren.
    Er startete den PC und klickte den Browser an, um Verbindung ins Netz zu bekommen.
    www.premiumparty.de – Reuter surfte durch die Seiten. Tatsächlich: Es war, als lebte das Mädchen noch.
    Das Mordopfer im Bikini: Hi, mein Name ist Lena.
    Die junge Frau nackt: Jeder ist willkommen.
    Reuter stellte sich ihre Stimme vor. Henrike Andermatt als Nachwuchsreporterin in der Kunstsammlung. Klug, schön und begehrenswert. Stunden später war der Wahnsinn losgebrochen.
    Ein Klick weiter, das Mädchen im Gangbang -Getümmel: Du kannst es schon gar nicht mehr erwarten. Gedanken, die Reuter aufwühlten: Ich hätte sie vielleicht schützen können. Und ich hätte sie haben können – das Gefühl, etwas verpasst zu haben, mischte sich in den Hass auf den Täter.
    Er fuhr den Rechner herunter, fand seinen Autoschlüssel und rangierte den Micra aus der Garage. Der Landrover einer Nachbarin blockierte die Ausfahrt. Er musste mehrfach klingeln, bis die dumme Tussi ihr Gefährt endlich wegsetzte. Kein Wort der Entschuldigung – wie immer.
    Auf der Fahrt zur Klinik überlegte Reuter, dass niemand in seinem Bekanntenkreis ein so kleines Auto fuhr wie er. Die Sonne heizte das Innere auf. Keine Klimaanlage – beim Kauf hatte er sparen müssen. Reuter ließ das Seitenfenster in die Tür gleiten und Zugluft hereinwehen.
    Ihn holten die Erinnerungen ein. Er war neun Jahre alt und Mama hatte Papa betrogen. Unbemerkt war der kleine Jan Zeuge geworden. Geräusche, Gekicher, eine Männerstimme. Er sah, wie Mama mit dem Fremden knutschte. Zuerst begriff Klein-Jan nicht, was da vor sich ging. Er bekam Angst und wurde wütend – als hätte sie nicht nur Papa hintergangen, sondern auch ihn.
    Um die Erinnerung zu vertreiben, wühlte Reuter in der Ablage nach einer CD. Dann hielt er inne. Im Radio liefen die Nachrichten. Er hörte bis zum Wetter zu.
    Der Mord an Robby Marthau wurde zuallerletzt gemeldet. Die Andermatts hatten ihm den Rang abgelaufen. Keiner weinte dem Türsteher eine Träne nach. Kein Wort darüber, dass Henrike sein Auto gelenkt hatte. Nichts über Robbys Erpressungsversuch an Richter Gnadenlos. Und keine Erwähnung des Drei-Millionen-Gemäldes, das der Aussiedlerjunge im letzten Herbst transportiert hatte – die Öffentlichkeit hatte keine Ahnung.
    Ich bringe es doch nur von A nach B.
    Reuter hielt wie gestern an der Zufahrt für Rettungsfahrzeuge. Das Foyer mit Aquarium und Sitzgruppe. Schlurfende Patienten. Die Treppe, das Wartezimmer. Diesmal reagierte die Schwester sofort – sie musste nicht erst die Spuren einer blutigen Milz-OP tilgen. Grüner Kittel, Mundschutz und der ganze Kram.
    Edgar war wach.
    Jan setzte sich. »Papa hat gesagt, ich soll mir mein Polizistengehabe sparen.«
    Sein Bruder wandte sich ihm zu. Blutunterlaufene Augen, durch geschwollene Lider zu Schlitzen verengt. Mein Gott, der arme Kerl.
    Das dünne Laken, die kalte Hand. »Ist dir warm genug?«
    Edgar nickte.
    »Schmerzen?«
    »Geht so.« Eher geflüstert als gesprochen.
    »Erinnerst du dich daran, dass ich gestern hier war?«
    Die Andeutung eines Kopfschüttelns.
    »Du standest unter starken Beruhigungsmitteln. Du bist an der Milz operiert worden. Hast Glück gehabt. Das hat dir der Arzt sicher schon erzählt.«
    »Sogar auf Lateinisch.«
    »Wie fühlst du dich?«
    »Beschissen. Morgen ist Gerichtstermin.«
    »Muss wohl verschoben werden.«
    »Meinst du?« Edgar versuchte ein Lächeln.
    Jan zog das Laken in Richtung Kinn. Eine Schwester huschte herein, nahm etwas aus einer Schublade, grüßte und verschwand. Nicht die Asiatin von gestern. Reuter fiel ein, dass er dem Personal einschärfen musste, keine Unbekannten an Edgars Bett zu lassen.
    Er fragte: »Was wollte Grusew von dir?«
    »Grusew?«
    »Ja, du hast seinen Namen erwähnt.«
    »Ich kenne keinen Grusew. Wer soll das sein?«
    »Aber gestern …«
    »Starke Beruhigungsmittel. Hast du selbst gesagt. Was immer ich von mir gegeben haben soll, ist gerichtlich nicht verwertbar.«
    Edgar tat, als sei er Herr der Lage, aber die Ausschläge auf dem Monitor kamen jetzt in kürzerem Abstand.
    »Sag mir, wer dich so zugerichtet hat.«
    »Keine Erinnerung. Filmriss.«
    »Ich will dir doch nur helfen!«
    Edgar antwortete nicht.
    »Hat der Anschlag auf dich etwas mit dem geraubten Gemälde zu tun? Ist Grusew der Artnapper? Hat er die drei Millionen kassiert?«
    Sein Bruder schloss die Augen.
    Reuter ließ nicht

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