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Königsallee

Königsallee

Titel: Königsallee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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waren, musste hier der Mann wohnen, den Scholz und Marietta suchten.
    Die rechte Eingangstür stand weit auf. Ein Blick ins Innere: kahle Wände, Spuren abgehängter Bilder, ein Teppich, zusammengerollt und hochkant gestellt. Radiomusik aus einem der Zimmer.
    Der Junge im Ringelpulli polterte die Holzstufen hoch. Schweißflecken unter den Armen. Dem Alter nach konnte er es sein.
    Scholz sprach ihn an: »Sven Mielke?«
    »Da drin. Ihr seid spät dran. Ich schufte schon seit einer Stunde.«
    Sie betraten die Wohnung. In der leer geräumten Küche ein zweiter junger Kerl auf einer Leiter, der an der Deckenlampe herumschraubte. Das Radio auf dem Heizkörper spielte etwas Klassisches.
    »Sie haben hoffentlich die Sicherung rausgedreht«, sagte Scholz.
    Der Kerl blickte herab, rotblondes Strubbelhaar, Bartstoppeln an Kinn und Oberlippe. »Gute Idee.«
    Er stieg von der Leiter, fand den Sicherungskasten im Flur und probierte mehrere Schalter aus, bis die Musik verstummte.
    »Sven Mielke?«, fragte Scholz.
    »Und wer sind Sie?«
    »Kripo.« Er zeigte seine Marke, Marietta ebenfalls. »Sie ziehen um?«
    »Jetzt sagen Sie nicht, dass die Polizei mir dabei helfen will.«
    »Wir untersuchen den Tod von Henrike Andermatt.«
    »Henni ist tot? Wie kommt das denn?«
    »Wo waren Sie gestern Abend zwischen halb acht und halb neun?«
    »Hier. Ich habe gepackt. Ist Henni ermordet worden?«
    »Kann jemand bezeugen, dass Sie hier waren?«
    »Marvin zum Beispiel.«
    »Stimmt.« Der Schlaksige lehnte in der Tür, die Arme über der geringelten Brust gekreuzt. »Ich mach die ganze Arbeit allein, wie es ausschaut.«
    »Steh nicht rum, Marvin«, drängelte Mielke. »Ich muss den Transporter heute noch in München abgeben.«
    »Das schaffst du nie.«
    »Wir können es wenigstens versuchen.«
    Mielkes Kumpel wandte sich an Scholz: »Schreiben Sie in Ihr Protokoll, dass Sven seine Freunde ausnützt, was der Grund dafür ist, dass er bald keine mehr hat. Deshalb hat ihn seine hübsche Freundin auch in die Wüste geschickt.« Marvin holte eine Kiste aus der Küche und rief: »Mensch, Sven! Ich hab dir doch gesagt, dass der Karton reißt, wenn du so viel reinpackst.«
    Mielke tat, als hörte er nicht hin, und bat seine Besucher, Platz zu nehmen. Getränkekästen dienten als Hocker.
    Scholz öffnete seinen Laptop und startete das Gerät.
    Marietta übernahm das Fragen. »Ihre hübsche Freundin – war das Henrike Andermatt?«
    »Ja. Wir haben uns Ende letzten Jahres bei Antenne Düsseldorf kennengelernt, wo ich hospitierte, bevor ich ein Praktikum beim Blitz begonnen habe.«
    Scholz tippte, Marietta fragte.
    »Hatte sie Feinde?«
    »Nein. Höchstens die falschen Freunde.«
    »Was heißt das?«
    »Das fing mit dem Kerl an, mit dem sie vorher liiert war. Als Schluss war, machte er ihr dermaßen Stress, dass sie Tabletten nahm. Dabei hätte er wissen müssen, wie labil sie manchmal war. Ich kapierte das erst im Lauf der Zeit. Henni stürzte sich immer in irgendwelche Geschichten.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Männer, Drogen – Henni musste alles ausprobieren, was einen Kick versprach. Wie eine Mutprobe, als wollte sie sich selbst etwas beweisen. Und am nächsten Tag litt sie darunter, dass es nicht das gebracht hatte, was sie sich erhoffte. Schuldvorwürfe, Selbstmitleid, das ganze Programm. Meine Rolle war es, sie dann wieder aufzufangen. Irgendwann war ich es leid. Sie hörte ohnehin nicht auf mich. Ich war nur wichtig, wenn sie in den Seilen hing.«
    »Und vor vier Wochen haben Sie beschlossen, sich zu rächen, indem Sie einen Artikel für die Zeitung schrieben?«
    »Was meinen Sie, wie ich das bereue! Der Blitz hätte mir vielleicht eine Perspektive geboten. Bis dahin habe ich mich nur von Praktikum zu Praktikum gehangelt, und das mit abgeschlossenem Studium. Ich war Kabelhilfe beim Lokalfernsehen, Bürobote in einer Werbeagentur, ein paar Wochen hier, ein paar Wochen dort. Zum ersten Mal hatte ich eine Chance auf ein Volontariat. Dass der Redaktionsleiter und der Alte Parteikumpels sind, habe ich erst mitbekommen, als es zu spät war. Der Einfluss des Alten geht so weit, dass ich in der ganzen Gegend nur noch Absagen bekomme. Nicht einmal eine unbezahlte Hospitanz beim Krefelder Anzeigenblatt ist noch drin.«
    »Der Alte – meinen Sie Henrikes Vater?«
    »Richter Gnadenlos, ein Heuchler vor dem Herrn. Er wusste genau, wofür Henrike das Geld ausgegeben hat, das er ihr rüberschob. Aber einem kleinen Junkie, der im Supermarkt Kaugummis mitgehen

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