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Königsallee

Königsallee

Titel: Königsallee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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Reim machen zu können. Er nahm sich noch einmal die Regalwand vor.
    Es war mühsam, denn er wusste nicht, wonach er suchen sollte. Michael schien sich nicht leicht von Dingen trennen zu können. Verstaubte Schulbücher. Briefe seiner Schwester, die in Australien lebte. Ein Karton mit Hochzeitsfotos – Reuter staunte, wie jung Michael und Marion damals gewesen waren.
    Der Karton erschien ihm relativ schwer. Reuter schüttelte ihn. Etwas klapperte. Er nahm die Fotos beiseite. Eine Blechbox kam zum Vorschein, verschlossen.
    »Weißt du, wo er den Schlüssel zu diesem Kasten aufbewahrt?«
    Marion hatte keine Ahnung. Reuter erkundigte sich nach einem Werkzeugkoffer. Michaels Frau führte ihn in den Keller. Spinnweben wischten über sein Gesicht. Die Neonröhre summte. Marion entschuldigte sich wegen der Staubschicht, die auf allem lag.
    Im Schrank fand sie die rote Plastikkiste, in der Michael Werkzeug aufbewahrte. Reuter hievte sie auf den Estrich, klappte sie auf und wühlte.
    Zuerst versuchte er es mit einem Draht, den er zu einem Dietrich bog, dann mit Hammer und Meißel. Schließlich griff er zu einem schweren Stemmeisen – Reuter brauchte eine halbe Ewigkeit, um das verfluchte Blechding zu knacken.
    Als der Deckel aufsprang, rutschte die Box von der Werkbank und der Inhalt verteilte sich im Kellerraum. Reuter bückte sich danach – ein Schlüsselbund und zwei Pink-Floyd-CDs.
    Er zeigte Marion die Schlüssel. »Hast du eine Ahnung, wofür die sind?« Sie schüttelte erneut den Kopf.
    Reuter klappte die CD-Hüllen auf. Unbeschriftete Silberscheiben. Das war nicht Pink Floyd.
    Er hastete nach oben und startete Michaels Computer. Ein träges Teil, Reuter trommelte ungeduldig auf die Tischplatte. Er schob die erste CD in das Laufwerk.
    Audio-Dateien, mitgeschnittene Telefonate.
    Reuter dachte zuerst an die Überwachung Grusews von Samstagvormittag, doch als er die schnarrende Stimme des Koksbarons hörte, die eitel vor sich hin plapperte, wusste er, was er gefunden hatte: die Aufzeichnungen, deren Verschwinden Manfred Böhr vor der Verurteilung wegen organisierten Handels mit Betäubungsmitteln bewahrt hatte.
    Nicht Scholz war der Verräter, sondern Michael Koch. Ausgerechnet der Kollege, mit dem Reuter seit seiner Umsetzung ins KK 22 zusammenarbeitete.
    »Sind das Telefongespräche?«, fragte Marion. »Du siehst aus, als hättest du Gespenster gesehen.«
    »Eine Menge Gespenster«, antwortete Reuter und steckte die beiden Discs ein.
     
    Kochs Frau brachte ihn zur Tür. Sie klemmte die widerspenstige Haarsträhne einmal mehr hinter das Ohr und sagte: »Ich weiß gar nicht, ob ich will, dass du Michael findest.«
    »Melde dich, sobald er etwas von sich hören lässt.«
    »Glaubst du, er hat etwas ausgefressen?«
    »Ja, und der einzige Weg, der ihm bleibt, ist, dass er sich so rasch wie möglich stellt.« Er berührte ihren Arm. »Versprichst du’s mir, dass du Bescheid gibst?«
    Sie nickte.
    »Mach’s gut, Marion.«
    Reuter überquerte die Straße und schloss seinen Micra auf. Dabei musterte er die übrigen Autos, die in Sichtweise parkten.
    Eine schwarze Limousine erschien ihm suspekt. Der Form nach konnte es ein Lexus sein, die Chromleisten funkelten in der Sonne. Eine Person hinter dem Steuer. Zu weit weg, um das Nummernschild lesen zu können.
    Reuter ging zurück zu Kochs Haus und klingelte noch einmal.
    Marion öffnete. »Etwas vergessen?«
    Er zeigte ihr den Wagen. »Hast du den schon einmal gesehen?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Fuhr vielleicht der Russe, der sich nach Michael erkundigt hat, so einen Schlitten? Versuch, dich zu erinnern, Marion!«
    »Darauf habe ich nicht geachtet.«
    »Lass niemanden ins Haus, den du nicht kennst, und ruf mich sofort an, wenn etwas ist. In Ordnung?«
    »Ja. Pass auf dich auf, Jan.«
    Reuter lief auf die Limousine zu. Der Fahrer startete den Motor und brauste im Rückwärtsgang davon, um nach fünfzig Metern zu stoppen. Reuter rannte hinterher. Der Fahrer des Lexus wiederholte das Spielchen zweimal, dann gab Reuter auf. Das Kennzeichen – er hatte es entziffert und sich eingeprägt.
    Auf der Rückfahrt rief er Wiesinger an.
    »Hallo, Jan, wie steht’s?«
    »Ich bräuchte eine Halterfeststellung.«
    Er gab die Autonummer durch. Der Aktenführer versprach, sich darum zu kümmern.
    Die Silberscheiben aus der Blechbox – Reuter drückte die erste davon in die Audioanlage. Böhrs Stimme, unbeschwert, als müsste er sich am Telefon nicht in Acht nehmen. Als schützte ihn

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